172 Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
III. Dem Rechte der Partei, mitzuwirken an dem Verfahren
zur Erzeugung des Urteils, entspricht notwendig ein Recht an
dem so erarbeiteten Urteil, soweit es ihr günstig ist, also
relative Rechtskraft. Für den Zivilprozeß hat sich ohne dahin
lautende Gesetzesvorschrift auf dem Wege wissenschaftlicher Er-
örterung die Ansicht durchgesetzt, es müsse absolute Rechtskraft
gelten, also Verbot und rechtliche Unfähigkeit für die
Gerichte, sich mit der entschiedenen Sache noch-
mals zu befassen® Das schließt das Recht der Partei am
Urteil, das ja auf eigenem Grunde steht, an sich nicht aus. Wenn
aber einmal der richterlichen Unfehlbarkeit zu Ehren die absolute
Rechtskraft anerkannt ist, kommt die relative nicht mehr zu Wort.
Die Verziehte und Andersbestimmungen der Parteien, in welchen
nach ihr deren Recht am Urteil sich noch besonders äußern sollte,
könnten nur da zum Vorschein kommen, wo etwa die absolute
Rechtskraft eine Lücke ließe; im übrigen aber ist sie von dieser
vollständig verdeckt?®. Solche Lücken sind hier schwer nach-
zuweisen; wo wirklich einmal Verzichte der Partei in Frage
kommen, können sie leicht als Verzichte auf das dahinter stehende
materielle Recht erklärt werden, das ja beim Zivilprozesse immer
den Hintergrund bildet. So kommt es, daß hier vom Rechte am
Urteil nicht weiter die Rede ist.
Ob die Gründe, welche für die absolute Rechtskraft ent-
scheiden, auch bei den Verwaltungsgerichten zutreffen,
könnte fraglich sein. Die große Menge von diesen wird ja von
Verwaltungsbehörden dargestellt, die zur Abwechslung dazwischen
auch im Parteiverfahren zu entscheiden haben und dann Gerichte
heißen. Das gibt ihnen keinen Anspruch auf den unzerstörbaren
(vgl. oben S. 150 ff.); und am Urteil scheiden sich die Wege. Hier wird die Orts-
polizeibehörde behandelt, wie ein judex a quo; sie ist durch das Urteil und
seine Rechtskraft gerade so gebunden, wie das erkennende Verwaltungsgericht
selbst, und im Falle ihres Obsiegens erwächst ihr daraus kein Recht wie der
Partei; vgl. O.V.G. 25. Juni 1879, unten Note 12. Eine etwaige Verurteilung in
die Kosten entspricht der Übernahme auf die Staatskasse im Strafprozeß. Der
Staat selbst ist an der Sache in erster Linie beteiligt durch sein Gericht; soll
er auch für das Urteil Partei heißen, so verdient er Loenings gewagte Be-
zeichnung als eine Partei, die immer gewinnt (Verw. Arch. V S. 71).
8 Dafür wurde vor allem wirksam die Abhandlung von Bülow in Arch.
f ziv. Pr. LXXXIII S. 1.
® Auch die absolute Rechtskraft setzt ja ein Parteiverfahren voraus:
F. Stein, Z.P.O. zu $ 322, II; und auch sie wirkt für die Partei, die durch
Nichtbeachtung der zunächst im öftentlichen Interesse gegebenen Vorschrift
in ihren Rechten verletzt würde: Pagenstecher, Rechtskraft S. 41.