$ 1. Der Begriff der Verwaltung. 5
Wenn eines davon fehlt, ist der Begriff der Gesetzgebung
nicht mehr erfüllt. Der Fürst allein kann jetzt noch Rechtssätze
aufstellen, Verordnungen erlassen; das ist aber nicht mehr Gesetz-
gebung — nur die Mitarbeit der Volksvertretung macht diesen
Namen möglich —, sondern eine andere Art von Stautstätigkeit;
und zwar gehört es, wie wir sehen werden, zur Verwaltung’. Der
Fürst, der ordentliche Träger oberster Gewalt, kann unter Mit-
wirkung der Volksvertretung und in der äußeren Form eines
Gesetzes auch andere Willensäußerungen von sich geben als Auf-
stellung von Rechtssätzen; zur Gesetzgebung zählt das hier nicht.
Es kann Verwaltung sein oder sonst etwas. Die der Gesetzgebung
von jeher wesentliche Art des Willensinhaltes fehlt. ®.,
2. Justiz — auch Rechtspflege, Rechtsprechung, Gerichts-
barkeit genannt — ist staatliche Tätigkeit zur Aufrechterhaltung
der Rechtsordnung mit obrigkeitlicher Gewalt. Die dazu be-
stimmten staatlichen Behörden sind die Gerichte. Als sich die
Ausscheidung der Justiz von sonstiger staatlicher Tätigkeit bei
uns vollzog (vgl. unten $ 4, I n. 3), bestanden Gerichte nur für
Zivil- und Strafrechtspflege. Damit legte sich der Begriff fest:
Justiz ist die obrigkeitliche Tätigkeit zur Aufrecht-
erhaltung der Rechtsordnung bei den für Zivil- und
Strafrechtspflege bestellten Gerichten, den „ordent-
lichen Gerichten“, wie wir sie bezeichnen, oder Gerichten schlechthin ®.
Jedenfalls ist dieser vollere Sinn gemeint, wenn unsere Staatsrechtslehre
bei der Grundeinteilung der Staatstätigkeiten, welche sie einleitungsweise zu
geben pflegt, von „Gesetzgebung“ spricht: v. Roenne, St.R. d. Preuß. Mon. I
8 88; Schulze, D. St.R. I S. 518; G. Meyer-Anschütz, D. St.R. S. 35
und S. 27.
? Sarwey, Allg. V.R. S. 30; v. Martitz in Ztschft. f. Stsw. XXXVI S. 258
In Grünh. Ztschft. VIII S. 40 will G. Meyer allerdings nur die Polizeiver-
ordnungen der Behörden zur Verwaltung rechnen; die Verordnungen des
Staatsoberhauptes glaubt er „zweckmäßiger“ an die Gesetzgebung als an die
Verwaltung anzuschließen. Die Kaiserl. Verord. zur Verhütung der Zusammen-
stöße von Schiffen, die er als Hauptbeispiel anführt, ist aber eine Polizei-
verordnung wie eine andere.
8 Über die freie Verwendbarkeit der Gesetzesform für alles mögliche, was
nicht Rechtssatz ist, vgl. Laband, St.R. II S.65 ff.; dazu Jellinek, Ges. u.
Verord. S. 255 ff.; Sarwey, Allg. StR. S.24ff.; Seligmann, Beiträge S.3 ff.
® Loening, V.R. S. 2, gibt diesen Begriff mit einer kleinen, aber folgen-
reichen Verschiebung. „Die Rechtspflege oder Justiz in dem historisch ge-
gebenen Sinne des Wortes umfaßt nicht die gesamte Tätigkeit des Staates,
die gerichtet ist auf Herstellung und Aufrechterhaltung der Rechtsordnung,
sondern diese Tätigkeit nur in soweit, als sie die Herstellung und Aufrecht-
erhaltung der Ordnung des Privatrechts und des Strafrechts zum Zwecke hat.“