Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 1. Der Begriff der Verwaltung. 5 
Wenn eines davon fehlt, ist der Begriff der Gesetzgebung 
nicht mehr erfüllt. Der Fürst allein kann jetzt noch Rechtssätze 
aufstellen, Verordnungen erlassen; das ist aber nicht mehr Gesetz- 
gebung — nur die Mitarbeit der Volksvertretung macht diesen 
Namen möglich —, sondern eine andere Art von Stautstätigkeit; 
und zwar gehört es, wie wir sehen werden, zur Verwaltung’. Der 
Fürst, der ordentliche Träger oberster Gewalt, kann unter Mit- 
wirkung der Volksvertretung und in der äußeren Form eines 
Gesetzes auch andere Willensäußerungen von sich geben als Auf- 
stellung von Rechtssätzen; zur Gesetzgebung zählt das hier nicht. 
Es kann Verwaltung sein oder sonst etwas. Die der Gesetzgebung 
von jeher wesentliche Art des Willensinhaltes fehlt. ®., 
2. Justiz — auch Rechtspflege, Rechtsprechung, Gerichts- 
barkeit genannt — ist staatliche Tätigkeit zur Aufrechterhaltung 
der Rechtsordnung mit obrigkeitlicher Gewalt. Die dazu be- 
stimmten staatlichen Behörden sind die Gerichte. Als sich die 
Ausscheidung der Justiz von sonstiger staatlicher Tätigkeit bei 
uns vollzog (vgl. unten $ 4, I n. 3), bestanden Gerichte nur für 
Zivil- und Strafrechtspflege. Damit legte sich der Begriff fest: 
Justiz ist die obrigkeitliche Tätigkeit zur Aufrecht- 
erhaltung der Rechtsordnung bei den für Zivil- und 
Strafrechtspflege bestellten Gerichten, den „ordent- 
lichen Gerichten“, wie wir sie bezeichnen, oder Gerichten schlechthin ®. 
Jedenfalls ist dieser vollere Sinn gemeint, wenn unsere Staatsrechtslehre 
bei der Grundeinteilung der Staatstätigkeiten, welche sie einleitungsweise zu 
geben pflegt, von „Gesetzgebung“ spricht: v. Roenne, St.R. d. Preuß. Mon. I 
8 88; Schulze, D. St.R. I S. 518; G. Meyer-Anschütz, D. St.R. S. 35 
und S. 27. 
? Sarwey, Allg. V.R. S. 30; v. Martitz in Ztschft. f. Stsw. XXXVI S. 258 
In Grünh. Ztschft. VIII S. 40 will G. Meyer allerdings nur die Polizeiver- 
ordnungen der Behörden zur Verwaltung rechnen; die Verordnungen des 
Staatsoberhauptes glaubt er „zweckmäßiger“ an die Gesetzgebung als an die 
Verwaltung anzuschließen. Die Kaiserl. Verord. zur Verhütung der Zusammen- 
stöße von Schiffen, die er als Hauptbeispiel anführt, ist aber eine Polizei- 
verordnung wie eine andere. 
8 Über die freie Verwendbarkeit der Gesetzesform für alles mögliche, was 
nicht Rechtssatz ist, vgl. Laband, St.R. II S.65 ff.; dazu Jellinek, Ges. u. 
Verord. S. 255 ff.; Sarwey, Allg. StR. S.24ff.; Seligmann, Beiträge S.3 ff. 
® Loening, V.R. S. 2, gibt diesen Begriff mit einer kleinen, aber folgen- 
reichen Verschiebung. „Die Rechtspflege oder Justiz in dem historisch ge- 
gebenen Sinne des Wortes umfaßt nicht die gesamte Tätigkeit des Staates, 
die gerichtet ist auf Herstellung und Aufrechterhaltung der Rechtsordnung, 
sondern diese Tätigkeit nur in soweit, als sie die Herstellung und Aufrecht- 
erhaltung der Ordnung des Privatrechts und des Strafrechts zum Zwecke hat.“
	        
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