6 Einleitung.
Justiz in diesem Sinne begreift nicht bloß die eigentliche Recht-
sprechung, d.h. den obrigkeitlichen Ausspruch dessen, was nun
im Einzelfalle für die Parteien Rechtens sein soll. Es gehört
dazu auch alles, was von den Gerichten und ihrer Gehilfenschaft
zur Vorbereitung und Durchführung eines solchen Ausspruches
geschieht, das ganze ihrer streitigen Gerichtsbarkeit
dienende Verfahren: Anklage und Voruntersuchung, Zu-
stellung, Prozeßleitung, Pfändung und sonstiger Vollstreckungs-
zwang, und überdies unter dem Namen freiwillige Gerichts-
barkeit ihre gesamte obrigkeitliche Betätigung außerhalb solchen
Verfahrens zur Sicherung von Privatinteressen und zur Handhabung
vormundschaftlicher Schutzgewalt: Beurkundungen, Genehmigungen,
Aufsichtsmaßregeln verschiedener Art sind hier von ihnen vor-
zunehmen !®,
Alles was nicht die beiden Voraussetzungen zusammen erfüllt:
an den ordentlichen Gerichten zu hängen als dem Ausgangspunkte
und ein Stück jener obrigkeitlichen Leistungen für das Gemein-
wesen zu sein, ist nicht mehr Justiz. Wenn der staatlichen Tätig-
keit das eine oder das andere dieser Merkmale fehlt, wird sie
regelmäßig der Verwaltung zuzurechnen sein.
Nicht zur Justiz zählen also einmal solche Tätigkeiten, welche
wohl ihrem Inhalt und ihrer Form nach dem entsprechen, was
auch bei den ordentlichen Gerichten geschieht, aber im gegebenen
Fall nicht bei diesen, sondern bei anderen Behörden statt-
Danach würde die Entscheidung des Landgerichts über eine Enteignungs-
entschädigung nicht Justiz sein, wohl aber die polizeiliche Zurückführung
vertragsbrüchiger Dienstboten. Das „subjektive Element“ ist hier nicht ge-
würdigt, welches Laband, St.R. II S. 174, mit Recht so entschieden betont.
10 Unsere Publizisten lieben es, bei Erwähnung der freiwilligen Gerichts-
barkeit zu bemerken: sie sei eigentlich nicht Justiz, sondern „ihrem materiellen
Gehalte nach“ oder „der Art nach“ Verwaltung. So G. Meyer-Dochow,
V.R. (1910) S. 8; Laband, St.R. II S. 179 Note 2; Bernatzik, Rechtskraft
S.2; Seligmann, Beiträge S.71. Leuthold, Sächs. V.R.S. 137, bezeichnet
sogar alle gerichtliche Tätigkeit, die nicht geradezu der Rechtsprechungsakt
selbst ist, insbesondere auch die ganze Prozeßleitung, als einen „umfänglichen
Teil der öffentlichen Verwaltung.“ R.G. 26. April 1906 (Entsch. LXII 8. 238)
nennt das Vormundschaftsgericht „Verwaltungsbehörde im Sinne des $ 13
G.V.G.“; es soll damit die Zulässigkeit des Ausschlusses des ordentlichen
Rechtswegs durch B.G.B. 8 1636 begründet werden — als ob ein Reichsgesetz
wie das B.G.B. solcher Entschuldigung bedürfte!
Die Prozessualisten verwahren sich mit Recht gegen diese Auffassungen:
Hellwig, Lehrb. I S. 75 Note 1; Stein, Z.Pr.Ord. I S. 9; Vierhaus in
Verw. Arch. XI S. 238.