194 Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Erhält dadurch die Beamtenhaftung eine eigentümliche Ver-
schärfung über das hinaus, was im privatrechtlichen Verkehr
gilt, so bringt die Natur der Amtspflicht, die zuerst diese Haftung
vermittelt, auch wieder besondere Rücksichtnahmen mit
sich. Im dienstlichen Interesse wird der Beamte unter den Zwang
von Notwendigkeiten gestellt, die ihn besonderer Gefahr aussetzen,
Unrecht zu tun, und ihm doch nicht gestatten, ihr aus dem Wege
zu gehen. Soll das durchführbar sein, so darf ihm die daraus sich
ergebende rechtswidrige Schädigung nicht angerechnet werden, so
lange er nicht nachweisbar durch eine Zutat eigener Fehlbarkeit
die Gefahr über das Normale erhöht hat.
Zweierlei kommt hier in Betracht.
Das erste ist das, was wir die Berücksichtigung des amt-
lichen Irrtums nennen können. Im Verhältnisse zwischen
Privaten — und ebenso zwischen dem Staat als Fiskus und einem
8 839, 28 aa u.yy, erwähnt die Klage gegen den Kriminalbeamten, der pflicht-
widriger Weise einen Verbrecher entkommen ließ; dieser hatte ungesäumt
weiteren Schaden angerichtet, die Klage wurde aber von dem O.L.G. Hamburg
mit Recht abgewiesen. Die verletzte Pflicht war nicht dem Beschädigten gegen-
über zu erfüllen gewesen. — Aus dem älteren Recht: Das Brückengeländer
war nicht in Stand durch die Schuld des Bauinspektors; eine Kuh ist herunter-
gefallen: der Eigentümer hat keinen Anspruch gegen den Beamten, weil gegen-
über ihm besonders keine Pflicht vernachlässigt worden war (C.C.H. 13. Febr.
1864; J.M.Bl. 1864 S. 98). Leiche gefunden, Bürgermeister versäumt die pflicht-
mäßige Anzeige beim Amtsgericht, Schadensersatzklage der Erben wegen der
verloren gegangenen Kleider: keine Haftung, weil keine „Rechtsverletzung des
Beamten gegenüber der Antragstellerin“ (V.G.H. 26. Sept. 1882; Samml. IV
8. 170). Hier fehlt überall die Voraussetzung der dem Dritten gegenüber zu
erfüllenden d. h. diesem zugute kommen sollenden Dienstpflicht.
Dagegen sind vorbildliche Fälle von lange her: Die Haftung des Richters,
der seine Richterpflicht gröblich verletzt und die Partei dadurch schädigt,
des Grundbuchbeamten, der den Eintrag pflichtwidrig versäumt, des Vormund-
schaftsrichters, der den Mündel pflichtwidrig zu Schaden kommen läßt. — Der
Gerichtsvollzieher, der gegen das Verbot ohne richterliche Erlaubnis am
Sonntag pfändet, wird dem Gepfändeten haftbar werden, wenn nachzuweisen
ist, daß diesem aus der Pflichtverletzung ein Schade entstand (a. M. Schel-
horn in Annalen 1906 S. 539. Hierher gehören auch die Haftungen für
unrichtige Auskunft; es hängt alles davon ab, ob die Erteilung einer solchen
noch in der zu erfüllenden Amtspflicht begriffen war (Oertmann, Kom. Il
zu 5 839, 2b # 88). Endlich sei noch erwähnt die Haftung der Post- und
Telegraphenbeamten wegen des Schadens, den sie dem Absender durch Nicht-
besorgung der ihnen dienstlich obliegenden Geschäfte zufügen (Meili, Haft-
pflicht der Postanstalten S. 141 fl. Die Angestellten eines Privatpostunter-
nehmens würden nicht so haften. Auf diesen Punkt wird unten $ 51 zurück-
zukommen sein.