196 Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Diese weitgehende Einschränkung versteht sich natürlich nicht
von selbst und ist nicht ohne weiteres übertragbar auf andere
Fälle von Beamtenhaftung. Aber der Grundgedanke, der in ihr
zum Ausdruck kommt, wirkt doch notwendig darüber hinaus überall,
wo gleichartige Verhältnisse gegeben sind. Den Weg dazu Öffnet
gerade der Begriff der Amtspflichtverletzung, an welchen $ 839
die Haftung bindet. Überall, wo von dem Beamten verlangt wird,
mit selbständiger Prüfung und eigenem Entschlusse Öffentliche
Gewalt zu handhaben, wie es dem Augenblick entspricht, besteht
auch in größerem oder geringerem Maße das Bedürfnis und der
Wille des Staates, daß dies unbefangen und ohne allzu große
Ängstlichkeit geschehe. So ist denn namentlich auch den obrig-
keitlichen Beamten und den Vollstreckungsbeamten
in der Verwaltung nicht als Pflichtverletzung anzurechnen
ein Mißgriff, den das gefährliche Amt naturgemäß auch bei einem
pflichttreuen Beamten hervorbringen kann. Und so lange es in
diesen Grenzen bleibt, ist der fehlgehende Beamte auch nach außen
gedeckt durch sein Amt selbst'®.
18 Aus der älteren Praxis: C.C.H. 14. Juli 1866 (J.M.Bl. 1866 S. 209): Der
Polizeibeamte soll bei Feuersbrunst eine Scheune unnötiger Weise nieder-
gerissen haben; „Irrtum befreit“. C.C.H. 10. Okt. 1868 (J.M.Bl. 1868 S. 860):
Der Grenzaufseher war „befugt“, die Ware zu beschlagnahmen, wenn er über-
zeugt war, daß sie geschmuggelt sei; ob sie das wirklich war, ist dann für seine
Schadensersatzpflicht gleichgültig. — In der B.G.B. Kommission II. Lesung war
geltend gemacht worden, die Gründe, welche den Entwurf bestimmt hatten,
bei richterlichen Beamten die Haftung zu beschränken, „träfen bei allen Be-
amten zu“; es gehe nicht an, sie „wegen jedes Mißgriffs haften zu lassen“. Die
Mehrheit gab zu, daß die Haftung auch hier eine „unerwünschte Ängstlichkeit
in der Amtsführung zur Folge haben könne“, verwies aber namentlich auf
eine Reihe von Beamtentätigkeiten, bei welchen „die Beschränkung der
Haftung auf grobe Fahrlässigkeit unmöglich sei“ (Prot. II S. 661, 662). Dieser
Einwand trifft zu; der Antrag hatte die nötige Unterscheidung nicht ge-
macht. — Die Praxis kommt auch ohne ausdrückliche Bestimmung des B.G.B.
innerhalb der richtigen Grenzen auf das alte Ergebnis hinaus; R.G. 1. Juli 1%2
(Entsch. LII S. 107): Polizeidirektor hat eine Schankwirtschaft geschlossen;
Klage auf Schadensersatz, weil die Verfügung auf Irrtum beruhe; aber, indem
der Beklagte „aus dem Ergebnisse der Ermittelungen die Überzeugung schöpfte,
daß der Kläger sein Gewerbe zur Förderung der Unzucht mißbrauche, befand
er sich in der rechtmäßigen Ausübung seiner amtlichen Befugnisse. Er war
durch sein Amt verpflichtet, nach bestem Können die gegebene Sachlage zu
beurteilen, und wenn er bei der Beurteilung des Beweisergebnisses geirrt
haben sollte, so würde dadurch siene amtliche Handlungsweise nicht als eine
gesetzwidrige erscheinen“. Es verdient beachtet zu werden, wie hier der Irrtum
nicht das Verschulden, sondern die Gesetzwidrigkeit, Amtspflichtverletzung im
Sinne von $ 839 ausschließen soll; vgl. unten Note 16 und Note 17.