Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

212 Die Polizeigewalt. 
schen Gemeinwesen gewachsen®. Auch als sie sich davon los- 
gelöst hatte, umfaßte die Polizei zunächst nur einen beschränkten 
Kreis von Gegenständen, die in den Reichs- und Landespolizei- 
ordnungen mit ziemlicher Regelmäßigkeit wiederkehren *. 
Im Übergang zur neueren Zeit aber nimmt sie jenen mächtigen 
Aufschwung, so daß sie schließlich ihren Namen leiht, um den 
Staat in seinem ganzen Verhältnis zum Untertanen zu kennzeichnen. 
Heer und Justiz sind gegeben. Was darüber hinaus vor- 
zukehren ist zu Schutz und Frommen des Gemein- 
wesens und derer, die in ihm begriffen sind, das ist 
alles Polizei. Nicht bloß unsere ganze innere Verwaltung ge- 
hört zu ihr. Auch das Heer hat seine Polizei und wird durch 
polizeiliche Maßnahmen unterstützt, die Polizei macht sich nützlich 
für die Gestaltung und den Schutz der Privatrechtsverhältnisse, 
umgibt mit ihrer Aufsicht und Fürsorge Justiz, Kirchen- und 
Gemeindewesen ®. 
Rastlos findet der Polizeistaat neue Gegenstände und Formen, 
um sich in dieser Aufgabe zu betätigen. An den aufzuwendenden 
Mitteln ist ihm dabei eine natürliche Grenze gesteckt; an der 
Freiheit der Untertanen nicht. War doch die Polizei von Anfang 
an von dem naturrechtlichen Grundsatz getragen, daß, der eine 
Aufgabe zu erfüllen berufen ist, auch ausgestattet sein müsse mit 
den erforderlichen Rechten. So folgte ihr auch auf das weite 
Gebiet, daß sie jetzt in Anspruch nahm, die entsprechende Zwangs- 
® Loiseau, traite des seigneuries (1609) Kap. IX n. 1; Delamare, traite 
de la police (1722); Justi, Pol. Wissensch. Einl. $ 3 Note. Vgl. auch Mylius, 
Const. March. V S. 59, S. 71 („Polizeiverordnungen“ für Städte), und V S. 83 
(die gleichen Dinge als „Ordnung und Konstitution für die Bauersleut“); Bd. V 
S. 98 finden sich dann die bekannten „Polizei-Ausreuter“, wesentlich bestimmt, 
die städtische Nahrung gegen das platte Land zu schützen: es handelt sich 
um „das Polizeiwesen und das davon dependierende Wohlsein der Einwohner 
in Städten“. 
* v. Berg, Deutsch. Pol. R. IS. :0. 
6 Justi, Pol. W. Einl.$ 2; Moser, Landeshoh. in Pol. S.2,1 $ 2; Lotz, 
Begriff der Pol. und Umfang der Staatsgewalt $ 7: „Unter Polizei kann 
unmöglich etwas anderes verstanden werden als die direkte Selbsttätigkeit der 
Staatsregierung für die Erreichung des Staatszweckes seinem ganzen Umfange 
nach.“ So ist z. B. die Post „Polizeiangelegenheit“ (Moser, St.R. V S. 174; 
Justi, Pol. W. $ Tl), in gewissem Maße auch die „Vorsorge für die Verwaltung 
der Gerechtigkeit“ (Justi, a. a. O. $ 844) und: „Der Religionsunterricht des 
Volkes ist eine der wichtigsten auf die Sicherheit des Staates Bezug habenden 
Polizeianstalten® (v. Römer, St.R. u. Statistik d. Kurfürstent. Sachsen Il 
S. 463).
	        
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