$ 19. Entwicklung des Polizeibegriffs. 213
gewalt, ohne weitere Bestimmtheit als die im polizeilichen Zwecke
selbst gegebene.
Beim Landesherrn selbst, der ja ohnehin „tun konnte, was er
wollte“, wird das nicht verspürbar; desto mehr bei dem Beamten-
tum, das sein Recht von ihm ableitete und mit dem mau alltäglich
zu tun hatte. Der zur selbständigen Verwaltung der Polizei be-
stellte Beamte war eben dadurch ausgestattet mit einer gewaltigen
Machtfülle, um seine guten und schlechten Einfälle für die Er-
haltung und Vermehrung der allgemeinen „Glückseligkeit“ ins
Werk zu setzen®.
Demgegenüber erhoben sich nun seit Ende des 18. Jahr-
hunderts Philosophen und Juristen im Namen der Freiheit der
Einzelnen. Auf die allzu umfassende Zwangsgewalt der Polizei-
behörden ist es abgesehen. Die naturrechtlichen Ideen, welche ge-
holfen hatten, diese Gewalt auszubilden, sollen jetzt wieder ver-
wertet werden, um sie zu beschränken. Das Mittel ist eine
Unterscheidung, die man hineinträgt in die formlose Masse,
die bisher als Polizei ging.
Die alten eudämonistischen Theorien hatten dem Staate eine
allzu hohe Aufgabe gestellt und damit die ihm anvertrauten
Menschen erniedrigt: sie sollen sich durch ihn zur Vollkommenheit
führen und zur Vervollkommnung anderer verwenden lassen. Dazu
sind sie naturrechtlich verpflichtet und entsprechend die Polizei-
behörden zu Zwangsmaßregeln berechtigt. Jetzt unterscheidet man:
Die Staatsgewalt darf Zwang nur anwenden „zur Erhaltung des
Sicherheitszustandes“, nicht dagegen zur „Mehrung der Voll-
kommenheit ihrer Bürger“. Auch das letztere ist ihre Aufgabe,
ist noch Polizei, nur eben, da eine Verpflichtung der Bürger, sich
vervollkommnen zu lassen, naturrechtlich nicht besteht, olne
Zwangsgewalt; allerlei sonstige Maßregeln zur Hilfe und
Förderung stehen auch dafür zur Verfügung. Den Gegensatz will
man zum Ausdruck bringen, indem man die Polizei einteilt in
Sicherheitspolizei einerseits, Wohlfahrtspolizei
andererseits”.
% Darüber oben 8. 89 ft.
? Die Unterscheidung selbst ist ziemlich allgemein, manchmal wird sie
schon gleich in die Bestimmung des Polizeibegriffes aufgenommen: Moser,
Landeshoh. in Pol.S. Kap. 1 $ 2; Leist, St.R. $ 152. Die Folgerung bezüglich
der einzuschränkenden Zulässigkeit des Zwanges wird besonders kräftig be-
tont von Hufeland, Naturrecht $ 394; volkstümlicher die anonyme Schrift
(Broxtermann) Demophilos an Eukrates über die Grenzen der Staatsgewalt.