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Grenzen der Polizeigewalt.
Das ist das Besondere an unserem Gegenstande, daß hier die
Machtbefugnisse der öffentlichen Gewalt unmittelbar
sich bestimmen aus einem allgemeinen Gedanken heraus,
aus der vorausgesetzten allgemeinen Untertanenpflicht. Indem die
Verwaltungsrechtswissenschaft der Entfaltung dieses Gedankeus
nachgeht und zeigt, wohin er führt und nur führt, ist sie hier
ganz besonders berufen, zugleich eine Lehre von der bürger-
lichen Freiheit zu sein.
I. Was ist es, dessen Störungen der Einzelne von selbst zu
vermeiden verpflichtet ist und was die Polizeigewalt vor solchen
Störungen zu schützen hat? Wir haben es im Anschluß an den
ursprünglichen Sinn des Wortes Polizei mit dem Worte „gute
Ordnung des Gemeinwesens“ umfassen wollen. Dabei darf
man nicht an unseren staatsrechtlichen Begriff des Gemeinwesens
denken und an dessen Verfassung (oben S. 15), an den Staat
also oder die Gemeinde. Es handelt sich eher um das Gemein-
leben im Staate oder, wie man es gerne ausdrückt, um das Stück
menschlicher Gesellschaft, über‘ welches dieser gesetzt ist!.
Unter Gesellschaft versteht man dabei zunächst etwas Un-
juristisches; es ist ein staatswissenschaftlicher Begriff und bedeutet
die großen Lebensgemeinschaften, zu welchen Menschenmassen
durch gemeinsame Kultur und ständigen Verkehr verbunden sind.
Sie ist für uns von Wichtigkeit um der Wechselwirkungen willen,
welche sie zwischen den in ihr begriffenen Einzelnen vermittelt:
Nützliches wie Schädliches, was ihnen darin widerfährt, ist das
umfaßt unter anderem die Erlaubnis für Maskenbälle und künstlerische
Produktionen (n. 12), die Wohlfahrtspolizei die Vertilgung der Maikäfer und
Raupen (n. 27) Leipzig bat seit einigen Jahren „Sicherheitsschutzleute“ und
„Wohlfahrtsschutzleute“, jene unter dem Polizeidirektor, diese unter dem
Stadtrat.
1 Den Zusammenhang zwischen Polizei und bürgerlicher Gesellschaft hat
besonders Hegel in seiner wuchtigen Weise aufgestellt und durchgeführt:
Rechtsphilosophie 8 182 ff., 8 231 ff. Vgl. auch: Gneist, Rechtsstaat 8. 25;
derselbe, Die nationalen Rechtsideen von den Ständen, durchweg; L. Stein,
Der Begriff der Gesellschaft und die soz. Gesch. d. franz. Rev., I. Einl.; der-
selbe, Handbuch d. Verw.Lehre S. 738 fl.; Roesler, Verw.R. I S. 2 fi.;
Klöppel, Staat und Gesellschaft S.3 ff. G. Meyer-Anschütz, St.R.
S. 11, 8. 645 Note, will nichts mit der „Gesellschaft“ zu tun haben, da sie
„kein Rechtsbegriff“ sei. Aber gar manches, was selbst nicht Rechtsbegriff
ist, kann zum besseren Verständnis unserer Rechtsbegriffe sehr nützlich sein.