Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

230 Die Polizeigewalt. 
gegen den, der sie verletzte oder auf dem Wege ist, sie zu 
verletzen. 
Die Frage, wer das ist, darf allerdings nicht nach dem Maß- 
stabe beantwortet werden, der zur Anwendung kommt, wo eine 
Strafe des gemeinen Strafrechts oder ein sittliches Urteil aus- 
gesprochen und das hierfür erforderliche Verschulden festgestellt 
werden soll. Die polizeiliche Verantwortlichmachung rechnet viel 
äußerlicher. Sie hat es nicht mit dem Menschen als sittlichem 
Wesen zu tun, sondern mit der gesellschaftlichen Einzelheit, die 
der Gesellschaft als Gesamtheit gegenübersteht. Für sie gilt die 
Störung als ausgehend von dem, dessen Lebenskreise sie ent- 
springt. Nicht bloß sein persönliches Verhalten wird ihm dafür 
zugerechnet, sondern auch der gefährliche Zustand seiner Ein- 
richtungen, die Nachteile, die aus seinem Hauswesen, aus seinem 
Gewerbebetriebe, aus den von ihm verwalteten Angelegenheiten 
anderer der guten Ordnung drohen; wegen allem, wovon er der 
gesellschaftliche Mittelpunkt ist, trägt er die gesellschaft- 
liche Verantwortlichkeit und kann er durch obrigkeitliche 
Maßregeln in Anspruch genommen werden, damit er die Störungen 
vermeide, unterlasse, beseitige '®. 
Andererseits aber haftet auch niemand für eine Polizei- 
widrigkeit, die nicht in solcher Weise auf ihn zurückzuführen ist. 
Geht sie von einem anderen aus, so hat die entsprechende polizei- 
liche Abwehr sich gegen diesen anderen zu richten'*. Ist ein 
18 Ein Verschulden ist für diese Verantwortlichkeit nicht gefordert (anders, 
wenn eine Polizeistrafe zur Anwendung kommen soll; vgl. unten $ 23). Handelt 
es sich um den polizeimäßigen Zustand einer Sache, so kann jeder dafür in 
Anspruch genommen werden, der ihr vorsteht und so weit darüber verfügen 
kann, daß dem Übelstande abgeholfen wird, als Eigentümer, Mieter, Nutznießer, 
Generalbevollmächtigter, Zwangsverwalter, gleichviele Die Polizei hat also 
unter Umständen die Wahl zwischen Mehreren: 0.V.G. 6. Febr. 1895 (Entsch. 
XXVII S. 389), 17. Mai 1897 (XXXII S. 835); 18. Juni 1803 (D. Jur.Z. 1900 
Ss. 174); 14. Okt. 1904 (Reger XXVI S. 509). Über diese Fragen: Stier- 
Somlo, in Verw.Arch. VI S. 275 ff.; derselbe, in Verw.Arch. XVIII S. 140; 
Biermann, Privatrecht u. Pol. S.124; Schultzenstein, in Verw.Arch. XIV 
Ss. 1f.; Schade, in Arch. f. öff. R. XXV S. 266. 
14 0.V.G. 11. Okt. 1884 (Entsch. XI S. 382): In einem Privathaus hält eine 
Sekte Erbauungsstunden; die Polizei befiehlt zu Unrecht, die Fenster zu 
schließen, damit die Passanten nicht belästigen; gegen die störenden Passanten 
war vorzugehen! Ähnlich O0.V.G. 18. Dez. 1896 (Entsch. XXXI S. 409); 5. März 
1906 (Pr. Verw.Bl. XXVIII S. 838); Sächs. O.V.G. 17. Jan. 1903 (Jahrb. IV S. 66). 
Vgl, auch Württ. Min. d. 1. 28. April 1876 (Reger III 8. 440); 0.V.G. 21. März 
1898 (Entsch. XXXIIl S. 409); 10. Nov. 1908 (Reger XXIX S, 289); Sächs. 0.V.G.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.