Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 20. Grenzen der Polizeigewalt. 233 
ud 
begeht die Behörde eine Machtüberschreitung, wenn sie zu dem 
schärferen greift '®. 
Es gibt ferner Fälle, wo eine Störung in dem, was der 
Einzelne gerade unternimmt und einrichtet und ins Werk setzt, 
nur als Möglichkeit enthalten ist. Vielleicht wird darin gar 
nichts je wirklich zur Erscheinung kommen, was für die gute 
Ordnung des Gemeinwesens gefährlich werden könnte. Das Unter- 
nehmen ist aber seiner Natur nach in der Lage, daß solche Dinge 
leicht bei ihm entstehen oder gefördert werden; es ist verdächtig. 
Der entfernteren Störung entspricht dann die entferntere Gewalt. 
Die polizeilichen Eingriffe gegenüber dem Unternehmer schwächen 
sich ab zu Maßregeln besonderer Überwachung, welche über 
ihn verhängt werden. Statt alles sonstigen Zwanges hat er Nach- 
forschungen und Kenntnisnahme zu dulden, welche Andere, Un- 
verdächtige, nicht zu dulden hätten; statt der Verpflichtung, Vor- 
kehrungen zu treffen zur Bekämpfung einer von ihm ausgehenden 
Schädlichkeit, kann ihm die Pflicht auferlegt werden, Anzeigen, 
Mitteilungen, Aufzeichnungen zu machen zur Erleichterung der 
Überwachung gegen die möglichen Schädlichkeiten. Wiederum 
wird da ein breites Grenzgebiet bleiben, wo es zweifelhaft sein 
mag, ob die Gefahr schon droht oder nur als entferntere Möglich- 
keit zu denken ist, ob also Überwachungsmaßregeln genügen oder 
sofortige Unterdrückung am Platze ist. Aber auch hier kommt 
ein Punkt, wo die erkennbare Rechtsschranke der Polizeigewalt 
‘beginnt und die gelindere Maßregel allein zulässig, die ein- 
schneidendere rechtlich ausgeschlossen ist !?. 
18 Bingner und Eisenlohr, Bad. Pol.Stf.G.B. S. 183; Sächs, O0.V.G. 
1. Mai 1%07 (Jahrb. X S. 329); Parey und Wiedemann, Rechtsgrunds. d; 
0.V.G. 8. 89, S. 150, S. 163. — In Preußen hatte man gemäß A.L.R. II, 17 
8 10 die Feuerbestattung verboten; man sah darin eine Verletzung religiöser 
Gefühle. O.V.G. 15. Mai 1908 (Entsch. LII S. 291) weist diese Begründung 
zurück, erklärt aber das Verbot für gültig auf Grund folgender Erwägungen: 
der Staat habe Vorschriften zu erlassen, um die Beobachtung der beim Be- 
erdigungswesen geltenden Grundsätze auch hier zu sichern und zu ermöglichen 
(also „bedingte Schädlichkeit“!); diese fehlen aber zurzeit noch; daher ist es 
nicht möglich, auf dem Boden der jetzigen Rechtsordnung die dem Staate 
zustehenden Rechte der Feuerbestattung gegenüber zur Geltung zu bringen; 
„die Rechtsordnung würde also durch diese unter Verletzung der staatlichen 
Befugnisse durchbrochen“. Die Rechtsordnung wäre also verletzt, weil man 
handeln will, bevor der Staat eine Rechtsordnung aufgestellt oder überhaupt etwas 
zur Sache gesagt hat? Das ist noch einmal echtes polizeistaatliches Naturrecht. 
1 0,V.G. 25. Febr. 1902 (Entsch. LXI S. 419): Einem verurteilten Zuhälter 
verbietet die Polizeibehörde das „Herumstehen ohne nachweisbaren Zweck“;
	        
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