230 Die Polizeigewalt.
Der Befehl unterscheidet sich von anderen Äußerungen obrig-
keitlicher Gewalt durch die eigentümliche Wirkung, auf die er
gerichtet ist: die bindende Bestimmung des Verhaltens des
Befehlempfängers. Sie stellt sich juristisch dar in der Be-
gründung einer dem Inhalt des Befehls entsprechenden Gehor-
samspflicht!.
dem Wollen gibt es heutzutage nur noch innerhalb der wohlzubeachtenden
Grenzen der Polizeigewaltübung.
Es scheint, daß die Frage der Zwangsfeuerwehr die Führung über-
nimmt, um der richtigen Auffassung auf diesem Gebiete zum Durchbruch zu
verhelfen. Früher hat man diese „polizeiliche Pflicht“ den geeigneten Orts-
einwohnern selbstverständlich auferlegt auf Grund der allgemeinen Polizei-
gewalt. Dann kamen Bedenken. Man versuchte eine besondere Begründung
in Stf.G.B. $ 360 Ziff. 10: Bad. Min. d. I. 29. April 1887 (Reger VIII S. 180);
oder in Stf.G.B. $ 368 Ziff. 8: Bayr. Oberst. L.G. 25. Nov. 1902 (Reger XXIII
S. 312). Alles natürlich unzureichend. Sächs. 0.V.G. 12. Febr. 102 (Reger XXIII
S. 311) fügt daher hinzu: „es handelt sich zugleich um $ 29 Rev. Städteordnung
und eine danach auferlegte Zwangsdienstpflicht“ — also um eine Gemeindelast.
Das ist gewiß richtig; aber eben darum handelt es sich nicht um eine An-
wendung der allgemeinen Polizeigewalt. — In Preußen hat noch 0.V.G. 26. Juni
1886 (Entsch. XXX S. 429) und ebenso KammerG. 5. Juni 1900 (Johow X
S. 161) die Leute auf Grund der allgemeinen Polizeigewalt zum Dienst heran-
ziehen lassen. KammerG. 25. Juni 101 Johow XXII S. 87) gibt das preis
und verlangt ein besonderes Ortsstatut, also Gemeindelast. Das Ges. v. 21. Dez.
1904, betr. die Befugnis der Polizeibehörden zum Erlaß von Polizeiverordnungen
über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden, macht nun reinen Tisch.
In der Begründung (Herrenhaus 1904/1905, Drucks. n. 7) ist eine treffliche
Übersicht gegeben über die bisherige Entwicklung. Mit dem Ortsstatut, heißt
es dann, kommt man nicht weit, weil Kom.Abg. Ges. v. 14. Juli 1893 $ 68 bloß
die Steuerpflichtigen zu Naturaldiensten heranziehen läßt; ferner steht fest: „die
Polizeibehörde kann die einzelnen Ortseinwohner nicht kraft ihrer
Polizeigewalt in Anspruch nehmen“ für solche Dienste (S. 11); deshalb
jetzt die neue Gesetzesbestimmung, „über die Errichtung von Pflichtfeuer-
wehren, die Regelung der mit derselben verbundenen persönlichen Dienst-
pflicht usw.“ Daß diese Regelung Polizeiverordnung genannt wird, ist alt-
modisch, soll uns aber wenig kümmern. Sachlich sind die Grenzen der
Polizeigewalt klar erkannt und festgelegt. Das ist eine Tat, die ihre Folge-
rungen erzwingen muß für den ganzen Kreis von Erscheinungen, um die es
sich hier handelt.
1 Über den Befeblsbegriff: Loening, Verw.R. S. 241; Thoma, Polizei-
befehl S.51ff.; Kormann, Rechtsgesch. Staatsakte S. 74 ff. — Die ältere Lehre
mochte alle Äußerungen der Staatshoheit unter dem Namen „Befehl“ zusammen-
fassen (vgl. oben S. 54, S. 117). Jetzt noch erklärt man wenigstens den Befehl
überall „immmanent“ (Seligmann, Begr. d. Ges. S. 29; Bernatzik, Rechts-
kraft S. 11), rechnet auch die Steuerauflage, die Aushebung zum Heerdienste
zu den Befehlen (G. Meyer-Dochow, Verw.R. 3. Aufl. S. 33, in 4. Aufl. I
S, 49 weggefallen) oder will in jeder Willensäußerung des Gesetzes einen „Ge-