Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 21. Der Polizeibefehl. 241 
Verordnung selbst wieder freistellen; das wäre ja geradezu ein 
Streich, der dem Gesetze gespielt würde®. 
2. Für die polizeiliche Verfügung bleibt gleichwohl auch 
bei durchgeführten Rechtsstaatsforderungen noch Raum genug 
übrig. 
Einerseits bedarf der rechtssatzmäßige Polizeibefehl, wo er 
unmittelbar den Einzelfall bestimmt, immer noch eines obrigkeit- 
lichen Ausspruchs, der ihn darauf anwendet und seinen Willen 
deutlicher erklärt, wie der Zivilrechtssatz des Urteils. Das 
geschieht hier durch einen befehlenden Verwaltungsakt, der nur 
ausspricht, was schon der Rechtssatz für diesen Fall gewollt hat, 
also einen Akt gebundenen Inhalts, eine Entscheidung, wenn 
der Fachausdruck in dem oben $ 9, S. 102 bezeichneten Sinne 
gebraucht werden soll. Daß ein solcher Akt sich einschiebe 
zwischen den Befehlsrechtssatz und seine tatsächliche Durch- 
führung mit Zwang, ist ja gerade wieder eine rechtsstaatliche 
Forderung (vgl. oben $ 5, III). 
Daneben stehen dann die eigentlichen Polizei- 
8 Thoma, Polizeibefehl S. 341. Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 289 ff.: Feuer- 
polizeiliche Anordnungen können nach Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 2 Ziff. 14 nur 
durch Verordnung (ortspolizeiliche Vorschrift) getroffen werden. Das ist für 
die Polizeibehörde unbequem. In München hat man deshalb eine ortspolizei- 
liche Vorschrift dahin erlassen: „Die Hausbesitzer haben den ihnen besonders 
eröffneten Anordnungen zur Abstellung feuergefährlicher Zustände in oder an 
ihren Gebäuden in der dafür von der Behörde festgesetzten Frist nachzu- 
kommen.“ Die gleiche Fassung wäre aber für alle und jede ortspolizeiliche 
Vorschrift denkbar, und dann hätten wir gerade denjenigen Zustand her- 
gestellt, den das Bayr. Pol.Stf.G.B. verhüten wollte (vgl. oben Note 6), — Bayr. 
Oberst.L.G. 28. Juni 1901 (Reger XXIII S. 145) glaubt die beiden Dinge ver- 
einigen zu können: Das Bezirksamt hat befohlen, eine Scheunenwand mit Blech 
zu verkleiden wegen Feuersgefahr; das Untergericht hatte ausgesprochen, daß 
die Nichtbefolgung nicht unter $ 368 Ziff. 8 Stf.G.B. falle. Jetzt wird ent- 
schieden: „Nach Literatur und Rechtsprechung sind hierunter (unter den feuer- 
polizeilichen Anordnungen der Ziff. 5) nur allgemein für alle geltende Ver- 
ordnungen, nicht aber individuelle Weisungen zu verstehen.“ Nun hat aber 
die entsprechende Bayrische „allgemeine Verordnung“ v. 17. Juni 1898 befohlen, 
„den Verfügungen der Distriktspolizeibehörden nachzukommen“; also erscheint 
jetzt „die Nichtbeachtung einer solchen individuellen Anordnung als eine Über- 
tretung der allgemeinen Vorschrift und demgemäß strafbar“. Ähnlich R.G. 
7. Juni 1887 (Entsch. Stf.S. IX S. 379); Bayr. Oberst. L.G. 17. April 190% 
(Reger XXVI S. 294); Olshausen, Stf.G.B. zu $ 360 Ziff. 10 Note a. Wenn 
man aber einmal dem Gedanken Raum gibt, daß rechtssatzmäßige Anordnung 
und Einzelverfügung vor dem Gesetze nicht gleichwertig sind, dann hat diese 
Art zu folgern ein Loch. 
Binding, Handbuch, VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 2. Aufl. 16
	        
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