242 Die Polizeigewalt.
verfügungen, polizeiliche Einzelbefehle mit mehr oder weniger
freiem Ermessen.
Vornehmlich wird der Einzelbefehl in dieser Gestalt zur Er-
gänzung des rechtssatzmäßigen dienen, soweit dieser einer solchen
bedarf, weil er den Fall nicht im voraus voll erfassen konnte oder
wollte. Das letztere wird im Rechtsstaate allerdings zu ver-
meiden sein, um das Justizvorbild nicht zu weit aus den Augen
zu verlieren. Aber namentlich die Art der anzuordnenden Maß-
regeln, welche der Abwehr der Störung dienen sollen, wird durch
das Gesetz oder die Verordnung gern dem freien Ermessen des
Einzelbefehls überlassen 1°,
Freie schöpferische Erzeugung der ganzen polizei-
lichen Verfügung, wie sie früher vorherrschte, ist für den Rechts-
staat die Ausnahme, offen gelassen, nur so weit es notwendig ist,
damit die Polizei nicht vorauszusehenden Fällen gegenüber nicht
waffenlos sei.
II. Damit ein Polizeibefehl wirksam werde, muß er recht-
mäßig erlassen und gehörig kundgemacht sein.
1. Die Voraussetzung der Rechtmäßigkeit erfüllt der in
Form des Gesetzes ergehende Polizeibefehl unbedingt durch diese
Form selbst. Alle übrigen müssen sich ausweisen durch den Rechts-
titel der gesetzlichen Ermächtigung und dürfen nicht in Wider-
spruch stehen mit dem Gesetz oder mit dem Polizeibefehl einer
höheren Stelle; der polizeiliche Einzelbefehl ist überdies gebunden
an jeden Rechtssatz, auch an den einer Verordnung der befehlenden
Behörde selbst oder ihrer Untergebenen; vgl oben S. 82.
® Ulbrich, Öster. Verw.R. S. 340, unterscheidet in gleichem Sinne:
„befehlende Entscheidungen“ und „konstitutive Individualverbote“ (oder -gebote).
Die ersteren erläutert er richtig: „Damit verwandelt sich dann die Gehorsams-
pflicht des einzelnen aus einer Gehorsamspflicht gegenüber dem abstrakten
Rechtssatz in eine Gehorsamspflicht gegenüber der befehlenden Entscheidung.“
Auch die Bedenklichkeit der letzteren, der Individualverbote, gegenüber dem
„Prinzip der Rechtsgleichheit“ wird zutreffend hervorgehoben. — Thoma,
Polizeibefehl S. 56 ff., spricht hier von „vollziehender Polizeiverfügung“, die
erlassen wird auf Grund der „Entscheidung in concreto, daß der abstrakte
Tatbestand der Verordnung sich verwirklicht habe“, und „verpflichtender
Polizeiverfügung“, die „neue Polizeipflichten begründet“, wie das Polizeigesetz,
die Polizeiverordnung.
10 Damit hängt zusammen die Abgrenzung für die Zulässigkeit der An-
fechtungsklage gegen polizeiliche Verfügungen nach Pr. L.V.G. $ 127 Abs. 3
n. 2: „Daß die tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorhanden seien, welche
die Behörde zum Erlasse berechtigt haben würden.“ Vgl. oben $ 15, III n. 3.