Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

14 Einleitung. 
hältnisse zwischen dem verwaltenden Staate und den ihm dabei 
begegnenden Untertanen’. 
Aber auch das ist noch nicht genau genug. Denn nicht alles 
Recht, das für diese Verhältnisse maßgebend werden kann und mehr 
oder weniger häufig maßgebend wird, ist deshalb schon Verwaltungs- 
recht. Es findet nämlich auf diese Dinge in weitem Maße einfach 
das gewöhnliche Recht Anwendung, das auch für die Einzelnen 
in ihren Beziehungen zueinander gilt, das bürgerliche Recht 
(vgl. unten $ 11, II). Wollte man es also bei der soeben ge- 
gebenen Begriffsbestimmung belassen, so wäre damit das ganze 
zweite und dritte Buch des BGB. in das Verwaltungsrecht ein- 
bezogen; das darf man sich nicht verhehlen. Wenn auch nicht in 
gleichem Umfange, steht es ebenso mit anderen Rechtsarten: 
Strafrecht, Zivil- und Strafprozeßrecht, Verfassungsrecht. 
Alles das ist aber von unserem Begriffe Verwaltungsrecht 
auszuschließen. Es ist ja auch nicht alles Kirchenrecht, was auf 
die Kirche bezüglich ist und zur Anwendung kommt, sondern nur 
ihr Recht, woher es auch stamme, also das der Kirche eigen- 
tümliche Recht. 
Wir müssen also sagen: Verwaltungsrecht ist das dem 
Verhältnisse zwischen dem verwaltenden Staate und 
den ihm dabei begegnenden Untertanen eigentümliche 
Recht. 
Ob es eigenartig genug ist und reich genug entfaltet, um 
eine besondere Darstellung zu verlohnen, das muß diese selbst 
zeigen®. 
%2 Das Wort Untertan bezeichnet ganz gut das Verhältnis des Menschen 
im Staate zum Staate. Selbst Rousseau, contr. soc. I, cap. VI, nennt ihn 
darum ungescheut „sujet“. Die Freiheit beruht bei ihm darauf, daß man zu- 
gleich auch citoyen ist und Anteil an der Staatsgewalt hat, also auf Ver- 
fassungsrecht. Uns scheint es noch wichtiger, daß der Untertan dem Staate 
jetzt nicht mehr schlechthin als Gegenstand seiner Machtübung dient, sondern 
mit seiner Eigenschaft als Untertan die eines Rechtssubjektes sich verbindet, 
dem auch die öffentliche Gewalt in rechtlich geordneten und gebundenen Be- 
ziehungen gegenüber steht; — die Freiheit beruht für uns wesentlich auf Ver- 
waltungsrecht. 
8 Sie wird auch von selbst die Widerlegung jener älteren Auffassung 
werden, die da glaubte, dem Verwaltungsrecht seinen eigenen Platz an der 
Sonne versagen zu können, indem sie die Hälfte davon für staatsrechtlich er- 
klärte — was an sich nur ein anderer Name wäre, aber doch schon eine 
nebensächliche Behandlung bei Verfassungsrecht und Behördenordnung an- 
kündigte; die andere Hälfte sollte einfach „modifiziertes“ Strafrecht, Prozeß- 
recht und vor allem Privatrecht sein — was auf eine Denaturierung des Ver-
	        
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