Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 23. Die Polizeistrafe. 269 
I. Die Polizeistrafe hat im heutigen Recht den Anschluß an 
das gemeine Strafrecht gefunden, indem sie den Grundsatz annahm: 
nulla poena sine lege. Das bedeutet nicht einfach wieder die 
gesetzliche Grundlage; dieses Erfordernis wäre im Ver- 
fassungsstaat gegenüber einem Eingriff in Freiheit und Eigentum, 
wie die Strafe ihn vorstellt, selbstverständlich. Ihm würde aber 
auch genügt sein mit allgemeinen Ermächtigungen der Behörden, 
im Einzelfalle Strafen zu verhängen. Hier ist gemeint, daß die 
Strafe in Form des Rechtssatzes bestimmt sei derart, daß 
die Verhängung der Strafe im Einzelfall nur Anwendung 
des Rechtssatzes ist, nur ein Ausspruch dessen, was durch 
den Rechtssatz für diesen Fall bereits gewollt ist, eine Ent- 
scheidung (vgl. oben S. 102). 
Mit dieser rechtssatzmäßigen Strafbestimmung verhält es sich 
nun im Einzelnen folgendermaßen. 
1. Das Gesetz pflegt auf dem Gebiete der Verwaltung und 
namentlich der Polizei die Schaffung von Rechtssätzen in großem 
Umfange der Verordnung zu überlassen, die mit ihrer leichteren 
Beweglichkeit den Umständen von Zeit und Ort sich besser an- 
passen mag. Den Forderungen des Rechtsstaates würde es in 
keiner Weise widersprechen, wenn auch die Strafbestimmung dem 
verordnungsmäßigen Rechtssatze anheimgestellt wäre. 
Allein hier wird verschieden verfahren. Soweit der Einfluß 
des französischen Rechtes reicht, macht das Gesetz gruud- 
sätzlich von der Übertragung der Polizeistrafbestimmung an die 
Verordnung keinen Gebrauch. Der Satz nulla poena sine lege 
wird ganz formalistisch durchgeführt. Deshalb erfolgt nach den 
süddeutschen Polizeistrafgesetzbüchern die Strafbestimmung 
stets durch Gesetz; nur die genauere Bezeichnung des Tatbestandes 
kann der Polizeiverordnung überlassen sein (davon unten n. 2). 
Es gibt hier Polizeistrafgesetze und Polizeiver- 
ordnungen, aber keine Polizeistrafverordnungen, 
brauchten Formel, die das Wesen des Polizeideliktes stellt auf den „bloßen 
Ungehorsam gegen die staatlichen Vorschriften“: Merkel, Stf.R. $ 15; 
v. Liszt, Stf.R. 8 32, I, n. 2; Rosin, in Wörterb. d. Verw.R. Art. Polizei- 
strafrecht $ 4; Rotering, Polizeiübertret. S. 18. Aber das, was übrig 
bleibt, ist nicht der formale Ungehorsam — damit käme man auch nicht 
durch; vgl. unten Note 5. — sondern die sachliche Polizeiwidrigkeit. — Das 
gilt selbstverständlich nur von den richtigen Polizeistraftaten; Schul- 
versäumnisse, Verweigerung von Pflichtehrenämtern und dergleichen gehören 
nicht hierher: dort handelt es sich nicht um Polizeiwidrigkeiten; vgl. oben 
S. 215, S. 231.
	        
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