Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 28. Die Polizeistrafe. 278 
indem es die Ermächtigung verleiht, solche Befehle zu erlassen. 
Es kann aber auch bloß verweisen wollen auf Befehle, die anders- 
woher ihren Rechtstitel nehmen. Das wird Sache der Auslegung 
sein. Bei Strafbestimmungen des Reichsgesetzes ist hier im 
Zweifel anzunehmen, daß das Landesrecht frei bleiben soll, ob 
und wie weit es die vorausgesetzten Befehle zuläßt, daß also 
den Landesbehörden von Reichswegen eine Ermächtigung zu solchen 
nicht erteilt wird®. 
2. Ob das Strafgesetz seine Wirkung knüpft an den Un- 
gehorsam gegen einen Einzelbefehl (Polizeiverfügung) oder gegen 
eine Polizeiverordnung, das macht in strafrechtlicher Hinsicht 
keinen Unterschied; die Rechtsgestalt der Sache ist die gleiche. 
Es kann aber auch bei unmittelbarer Verpönung noch etwas vor- 
ausgesetzt sein, was aussieht wie ein Einzelbefehl, auch wohl 
ähnlich bezeichnet wird und doch keiner ist. Wir nennen das, um 
den Gegensatz zu wahren, eine Mahnung. Die Mahnung er- 
scheint im Zusaınmenhange mit dem Strafgesetz als eine Erinnerung 
des davon Bedrohten an das richtige Verhalten. Sie kann nach 
schon eingetretener Strafbarkeit erfolgen, um die Fortsetzung zu 
verhüten, und ist dann Drohung mit Anzeige oder Gewaltanwendung 
(vgl. oben $ 21 Note 11). Sie kann auch als Bedingung der Straf- 
barkeit gesetzt sein; das ist unser Fall. 
Der Strafrechtssatz ist hier fix und fertig in sich selbst und 
bedarf keiner Ergänzung, um den Fall zu treffen, auf den er es 
absieht.. Es ist aber umgekehrt eine Hemmung eingeschoben, 
indem es billig erscheint, die Strafbarkeit erst eintreten zu lassen, 
nachdem der Betroffene vergebens daran erinnert worden ist, was 
ihm bevorsteht, wenn er auf seinem Verhalten beharrt’. 
Weil, im Gegensatz zum Befehl, eine solche Mahnung keine 
Rechtsverpflichtungen selber zu erzeugen hat, kein Verwaltungsakt 
zu sein braucht, kann sie von anderen als von Behörden aus- 
® Laband, St.R. 1I S. 103f.;, Rosin, Pol. Verord. S. Ti ff. Anders 
Loening, Verw.R. S. 235 Note 3; seine Berufung auf das Verordnungsrecht 
des Kaisers nach Stf.G.B. $ 145 ist nicht stichhaltig: bei diesem besteht 
eben etwas wie die vorausgesetzte Autonomie der Bundesstaaten nicht. 
? Nach Stf.G.B. $ 365 ist die Überschreitung der Polizeistunde bei den 
Wirtsehausgästen nur strafbar, wenn man sie vergeblich „zum Fortgehen auf- 
gefordert hat“. Indem der Gesetzgeber Jie Strafbarkeit so bedingt, zeigt er 
ein menschliches Verständnis für die Sachlage. Rotering, Polizeiübertret. 
S. 65, verlangt hier einen „bestimmten und unzweideutigen Befehl“. Ein Befehl 
im Sinne unsereg Rechtsinstituts mit seinem festen juristischen Wert ist jeden- 
falls nicht gemeint. 
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 2. Aufl. 13
	        
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