Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

274 Die Polizeigewalt. 
gehen, von einfachen Vollzugsbeamten oder auch von den dazu 
berufenen Privatleuten, je nachdem eben der Strafrechtssatz diese 
Bedingung seiner Anwendbarkeit formuliert ®. 
Des weiteren macht sich der Unterschied im Strafverfahren 
bemerkbar. Handelt es sich bloß um eine Mahnung, so prüft das 
Gericht frei und selbständig, ob das Verhalten des Beschuldigten 
sachlich die Voraussetzungen des Strafrechtssatzes erfüllt und dann 
auch dessen besonderer Bedingtheit durch die Mahnung entsprochen 
worden ist. War es keine Mahnung, sondern ein Befehl, auf 
dessen Nichtbefolgung die Strafe gesetzt ist, so genügt es, den 
Ungehorsam festzustellen. Allerdings verbindet sich damit auch 
noch eine Nachprüfung der Rechtsgültigkeit des obrig- 
keitlichen Aktes selbst; diese ist aber ihrem Wesen nach beschränkt 
und umfaßt nicht die von der Verwaltungsbehörde innerhalb ihrer 
Zuständigkeit erledigten Fragen des öffentlichen Interesses und 
der Zweckmäßigkeit °. 
8 Die soeben erwähnte „Aufforderung zum Fortgehen“ kann nicht bloß 
der Schutzmann (Nichtbehörde!) vornehmen, sondern mit der nämlichen 
Folge auch der Schankwirt. — Die Aufforderung zur Hilfeleistung bei 
Waldbrand nach Pr. Feld- u. Forstpol. Ges. $ 44 Ziff. 4 kann von dem ein- 
fachen Forstbesitzer wirksam ergehen; Rosin, Pol.Verord. S. 80 Note 26, 
will das als polizeiliche Verfügung ansehen, es handelt sich aber hier weder 
um Polizei noch um Verfügung. Der Fall mag nur dazu dienen, die straf- 
rechtliche Bedeutung der Mahnung überhaupt zu erläutern. Dagegen gehört 
wieder ganz hierher Bayr. Pol.Stf.G.B. von 1861 Art. 171 Ziff. 1: hier ist eine 
Strafbarkeit des Hausbesitzers wegen Feuerpolizeiübertretung bedingt durch 
die Mitteilung des Kaminfegers von der abzustellenden Gefährlichkeit. 
Um eine Mahnung in diesem Sinne kann es sich nie handeln, wo der 
Inhalt der polizeilichen Pflicht, auf deren Nichterfüllung die Strafe steht, durch 
die Aufforderung erst bestimmt werden soll. Da muß es ein Befehl sein 
und der Auffordernde eine mit Befehlsgewalt ausgestattete Zuständigkeit be- 
sitzen. Das ist der Fall bei den vorläufigen Anordnungen des beamteten 
Tierarztes nach Reichs-Viehseuchenges. v. 1. Mai 1894 $ 66 Ziff.3. Ähnlich 
die Anordnungen des beamteten Arztes nach R.G. v. 30. Juni 1900 $ 9. 
Das sind keine ordentlichen Polizeibehörden, aber es gibt ja auch Behörden 
für besondere Fälle. R.G.Stf.S. 5. Jan. 1909 (Reger XXIX S. 430) nimmt mit 
Recht an, es sei dem Tierarzt hier, um rechtsverbindlich anordnen zu können, 
eine „eigene veterinärpolizeiliche Machtvollkommenheit, also eine beschränkte 
polizeiliche Zuständigkeit verliehen“. 
® Vgl. oben $ 17, II n. 3. Rosin, Pol.Verord. S. 2938; Oppenhoff, 
Ressortverh. (1904) S. 322; W. Jellinek, Ges. Ges.anw. S. 3ff., S. O1fl. 
Bayr. Obst.L.G. 13. Okt. 1900 (Reger XXII S. 438): „Der Strafrichter hat 
nur zu prüfen, ob die Verfügung der zuständigen Behörde im Rahmen der ge- 
setzlichen Vorschriften erlassen, nicht aber ob die getroffene Anordnung not- 
wendig oder zweckmäßig ist.“ — Die Frage des strafrichterlichen Nach-
	        
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