278 Die Polizeigewalt.
durch die Strafprozeßordnung geregelten Verfahren vorgehen.
Dadurch schiebt sich zwischen die Verwaltung und die Anwendung
des ihren Zwecken dienenden Mittels eine selbständige Prüfung
ein, die sich auch noch rückwärts auf die Rechtsgültigkeit der für
den Tatbestand maßgebenden Verwaltungsanordnungen erstreckt.
Vgl. oben S. 274.
Die Verwaltung ist dabei nicht einflußlos. Nicht nur setzt
sie durch ihre Anzeigen die Justiz in Bewegung, sondern die auf
Grund von Stf.P.O. $ 453 landesrechtlich zugelassene Polizeistraf-
verfügung gestattet den Polizeibehörden, selbständig das Ver-
fahren einzuleiten und mangels eines Antrags auf gerichtliche
Entscheidung auch zu erledigen; und überdies gestaltet sich das
Zusammenarbeiten tatsächlich so, daß die Justiz ihrerseits nicht
leicht in Polizeistrafsachen vorgeht, ohne daß die Polizeibehörde
es will!®,
2. Es ist eine längst beobachtete Erscheinung, daß bei der
Handhabung des Polizeistrafrechts eine eigentümliche Strenge
obwaltet. Nicht in der Höhe der verhängten Strafen; die pflegen
ja schon den gesetzlichen Strafandrohungen gemäß auf niedrige
Sätze sich zu beschränken. Aber die Schuldfrage wird hier anders
behandelt, als man das im ordentlichen Strafrecht gewohnt ist,
und zwar strenger: man wird in Polizeisachen leichter verurteilt
als sonst. Der Eindruck ist so stark, daß sogar die Ansicht zur
Geltung kommen konnte: das Polizeidelikt setze überhaupt keine
Schuld voraus, die Begriffe von Vorsatz und Fahrlässigkeit seien
hier gleichgültig und alles hänge nur an dem objektiven Tat-
bestand. Das würde sagen, daß die Verursachung der Polizei-
widrigkeit genügt, um strafbar zu sein; sie muß auf den Be-
schuldigten zurückzuführen, aus dem Lebenskreis, für den er
einsteht, hervorgegangen sein, dann trifft ihn die Strafe ohne Rück-
sicht auf die gute oder schlechte Beschaffenheit seines Wollens '.
Allein die Strafe ist begriffsmäßig ein Übel, ‚gesetzt auf ein von
der Obrigkeit mißbilligtes Verhalten. Dieses Übel trifft hier wie
14 Daß hier eine gewisse Abschwächung des Legalitätsprinzips sich geltend
macht, wird mit Recht hervorgehoben von Goldschmidt, Verw. Stf.R. S. 584
Note 147; Hofacker, in Verw.Arch. XV S. 430.
15 So die französischen Juristen: Theorie d. franz. V.R. S. 14 ff. Auch
deutsche Gerichtshöfe haben unzählige Male den Satz ausgesprochen: Loos,
in Holtzend. Stf.R.Ztg. X S. 323; aber auch noch O.L.G. München 2. Mai 1896
(Reger XVIII S. 65). Vgl. über diesen Punkt Haelschner, Stf.R. I S. 309
Anm. 1; Binding, Normen II S. 215; Weingart, in Ger.Ztg. f. Sachsen
1879 S. 161.