Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 24. Polizeiliche Zwangsvollstreckung. 285 
keit dem zufügt, von welchem das Ärgernis kommt; aber wenn 
sie es tut, so hat es die allgemeine Natur einer Strafe. 
Zum anderen aber handelt es sich dabei um ein Zwangs- 
mittel: das zuzufügende Übel, das sich durch seinen äußerlichen 
Zusammenhang mit einem mißbilligten Verhalten des Getroffenen 
als Strafe darstellt, ist bestimmt, einen Druck auf diesen zu üben, 
um die Erfüllung der Gehorsamspflicht herbeizuführen. Dieser 
Zweck ist der beherrschende Gedanke bei dem ganzen Rechts- 
institut; er bestimmt alle Einzelheiten der Zwangsstrafe und 
scheidet sie von allen anderen Strafen. Insbesondere ist sie keine 
Strafe im Sinne des Reichsstrafgesetzbuches®. 
Die Mißbilligung, die in der Ungehorsamsstrafe steckt, wie 
der tatsächliche Erfolg, auf den sie zielt, sind nicht bedingt durch 
eine bestimmte Art des sachlichen Inhalts des Befehls, an den sie 
sich knüpft. Sie findet sich auf allen Gebieten behördlicher 
Tätigkeit, um die Amtsgewalt mit dem nötigen Nachdruck 
auszustatten. Der Fall, wo der Befehl seinem Inhalte nach sich 
als Polizeibefehl erweist, ist nur der wichtigste; was wir für ihn 
hier ausführen, hat aber allgemeinere Bedeutung. 
1. Die Ungehorsamsstrafe bedarf einer eigenen gesetz- 
lichen Grundlage. Sie teilt nicht einfach die, auf welcher der 
Befehl steht. Denn wenn sie auch dem Befehl und seiner Durch- 
führung dient, so tut sie das doch in der Weise, daß sie dem 
Untertanen eine Last auflegt, die nicht im Befehl selbst schon 
begriffen ist. Dieses andere, womit sie zum Gehorsam gegen den 
Befehl drängen will, ist ein neuer, durch den Ungehorsam nur 
veranlaßter, aber nicht von selbst zulässiger Eingriff in Freiheit 
® In der Reichstagskommission wurde die entsprechende Bestimmung der 
2.P.O. auf eine „Rechtsverletzung“ und auf „Böswilligkeit“ zugespitzt (Hahn, 
Mat. I S. 861); für den Strafgedanken genügt die Voraussetzung des der Be- 
hörde unwürdigen Ergebnisses. 
6 Anschütz, in Verw.Arch. I S. 455; Hofacker, in Verw.Arch. XIV 
S. 447 ff. Gemeint ist unser obiger Satz auch in den etwas seltsamen Wen- 
dungen: Die „Strafe“ hat hier „keinen strafrechtlichen Charakter“ (Mot. B.G.B. 
IV S. 1064); „trägt niemals einen Strafcharakter“ (Preger, in Arch. f. öff. R. 
VIII S. 422), „stellt keine Strafe im Rechtssinne dar“ (Fleiner, Instit. S. 210). 
Die notwendige Folgerung ist, daß die allgemeinen Bestimmungen des Stf.G.B. 
auf die Ungehorsamsstrafe (im Gegensatze zur Polizeistrafe) keine Anwendung 
finden. -- Die Zwangsstrafe des Württembergischen Rechtes nimmt eine Aus- 
nahmestellung ein, insofern sie der des ordentlichen Strafrechts sich nähert: 
Schicker, Württ. Pol. Stf.R., zu Pol. Stf.G.B. Art. 1 Note 3 u. zu Ges. v. 
12. Aug. 1879 Art. 3 Note 1.
	        
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