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388 Die Polizeigewalt.
Ferner aber: auch nach erfüllter Bedingung, also trotz des
an den Tag getretenen Ungehorsams kann eine Strafe nicht mehr
verhängt werden, wenn, bevor das geschieht, ihr Zweck als
Zwangsmittel entfällt. Die schuldige Leistung ist vielleicht
nachträglich doch noch gemacht worden, nachdem die Frist ver-
strichen und nach den Grundsätzen des reinen Strafrechts die
Strafe verwirkt gewesen wäre. Dem steht es gleich, wenn die
Erfüllung der befohlenen Pflicht inzwischen ganz unmöglich ge-
worden ist. Da „ist nichts mehr zu erzwingen“, und mit ihrem
Zweck verliert die Zweckstrafe ihr Recht; die Verhängung hat zu
unterbleiben "!,
Die einmal ausgesprochene Strafe schafft ein neues
Rechtsverhältnis des Verurteilten, aus welchem das Weitere von
selbst sich ergibt. Die Androhung und die Erfüllung ihrer Be-
dingung bedeuteten für die Behörde nur eine eröffnete Möglich-
keit, von der sie keinen Gebrauch machen darf, wenn es dem
Zweck nicht mehr entspricht. Jetzt handelt es sich um einen
Vollziehung fordernden Verwaltungsakt. Er kann zurückgenommen
werden durch die Behörde, die ihn erließ, oder durch ihre Vor-
gesetzte deshalb, weil er nicht hätte erlassen werden sollen nach
seinen eigenen Rechtsgründen. Aber der nachträgliche Wegfall
des polizeilichen Zweckes setzt ihn nicht von selbst außer Voll-
zug, noch rechtfertigt er die Zurücknahme: Erlaß der gehörig er-
kannten Strafe ist dem Begnadigungsrecht vorbehalten "*.
frage nach den der Ungehorsamsstrafe eigentümlichen Grundsätzen behandeln ;
vgl. unten Note 15.
11 O0,V.G. 31. Jan. 1877 (Entsch. II, S. 382); 9. Juni 1877 (Entsch. U
S. 414); Bad. V.G.H. 233. Jan. 1900 (Reger Erg. Bd. II S. 170). Anders auch
hier wieder Württemberg: Schicker, Württ. Pol. Stf.R., zu Ges. v. 12. Aug.
1879 Art. 2 Note 2.
8 Friedrichs, in Pr. Verw.Bl. XAXI S. 405; vgl. unten $ 31, IV n.3;
lsaak, in Ztschft. f. d. ges. Stf.R.Wiss. XXI S. 686, fügt sich widerstrebend
dem für uns selbstverständlichen Grundsatz: „Keine Verurteilung ohne Voll-
streckung.“ Fleiner, Instit. S. 210, 211, will im Gegenteil auch die schon
erkannte Ungehorsamsstrafe nicht mehr beitreiben lassen, wenn der Ungehor-
same inzwischen nachgibt; allein im Falle Bad. V.G.H. 23. Jan. 1900, auf den
er, Note 23, sich beruft, handelte es sich nicht darum, die erkannte Geldstrafe
nach erreichtem Zwecke noch beizutreiben, sondern darum, sie jetzt erst noch
auszusprechen; dieses ist allerdings nicht zulässig (vgl. oben Note 11), ist
aber auch etwas anderes. Thoma, Polizeibefehl S. 93 Note 93, möchte den
Beamten die ausgesprochene Strafe schon zurücknehmen lassen, wenn ihn
„seine Strenge reut“. Ich würde das für einen unzulässigen Gnadenakt ansehen. —
llofacker, in Verw.Arch. XIV S. 451, 452, stellt die Vollstreckung der aus-