Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 24. Polizeiliche Zwangsvollstreckung. 9207 
daraus zu ziehen verstanden. In unserem Verfassungs- und Rechts- 
staat fragt es sich aber jetzt: wie weit ist ein so starker Eingriff 
in Freiheit und Eigentum zulässig und erlaubt? 
Das ist selbstverständlich der Fall, soweit das Gesetz für den 
gegebenen Tatbestand die Anwendung dieses Zwangsmittels ge- 
stattet. Möglicherweise ergibt sich seine Zulässigkeit auch ohne 
ausdrücklichen Gesetzestext von selbst aus der Natur der Sache. In 
der Lehre vom unmittelbaren Zwang (unten $ 25) wird sich 
zeigen, in welch ausgedehntem Maße dort dergleichen stattfindet. 
Zunächst stellt sich uns hier die Frage, inwieweit das auch zu- 
trifft bei der polizeilichen Zwangsvollstreckung, wie 
weit also die Gewaltanwendung ein zulässiges Mittel ist zur Er- 
zwingung des Gehorsams gegen einen polizeilichen Einzelbefehl ?®. 
Es gibt ja Gesetze, welche Gewaltanwendung gestatten zur 
Durchsetzung von Befehlen. Aber gerade für Polizeibefehle findet 
sich derartiges nur sehr vereinzelt?®. Die Landesgesetze, welche 
38 Pr. L.V.G. 8 132 Ziff. 3 nennt das Zwangsmittel der Gewaltanwendung 
sehr unglücklicher Weise den „unmittelbaren Zwang“. Darüber Rosin, 
Pol.Verord. S. 111 Note 23. Ursprünglich, bei der Beratung der Kreisord. v. 
13. Dez. 1872, deren $ 79 vorbildlich geworden ist, sprach man hier von 
„Physischem Zwang“ (v. Brauchitsch, Mat. z. Kr.O. 11, S. 1208 ff.), nachher 
wurde „persönlicher Zwang“ daraus gemacht (a. a. 0. III, S. 1622), und zuletzt 
kam als Verlegenheitsausdruck der „unmittelbare Zwang“ (a. a. O. S. 1625). 
Das sollte den Gegensatz bilden zu der Ungehorsamsstrafe als „psychologischem 
Zwang“. Allein da wurde doch die Ersatzvornahme ungewollter Weise auch 
mit umfaßt, insofern sie in diesem Sinne gleichfalls „unmittelbar“ wirkt: 
Rosin, Pol.Verord. S. 111 Note 23; Schlusser, Bad. Pol.Stf.R. S. 21; 
v. Sutner, Bayr. Pol.Stf.G.B. zu Art. 21 n. 1u.3. Da das also nicht stimmte, 
so suchte man allmählich das Wesen der „Unmittelbarkeit“ in etwas ganz 
anderem, nämlich in dem Verfahren „ohne vorgängige Androhung“; aber auch 
das ist kein festes Unterscheidungsmerkmal: v. Brauchitsch, Verw.Ges. I 
zu $ 132 Note 264a; Markull, im Pr. Verw.Bl. XXVI, S. 558. Das Zwangs- 
mittel Gewaltanwendung bleibt ja dasselbe, ob es mit oder ohne Androhung 
gebraucht wird. Zur Zwangsvollstreckung eines Einzelbefehles kann es dienen 
mit oder ohne Androhung und außerhalb solcher Zwangsvollstreckung — also 
„unmittelbar“ in unserem Sinne (unten $ 25) — mit oder ohne Androhung ver- 
wendet werden (vgl. unten $ 25 Note 3). Wahrscheinlich denkt man bei der 
„vorgängigen Androhung“ gern auch an etwas wie einen zu vollstreckenden 
Befehl; das könnte dann auf unsere Unterscheidung der zwei Verfahrensarten, 
Zwangsvollstreckung und unmittelbarer Zwang, hinauslaufen; aber so recht 
bestimmt ist es meist doch nicht gemeint. — Wir sind darauf angewiesen, eine 
vernünftige Ausdrucksweise durchzuführen, ohne uns durch die des Gesetzes 
beirren zu lassen. 
#° Seitenstücke zu dem Rechte der ordentlichen Gerichte, widerspenstige 
Zeugen und Parteien gewaltsam vorführen zu lassen (Z.Pr.O. $ 380, $ 619;
	        
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