Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

298 Die Polizeigewalt. 
bei der Regelung der behördlichen Zwangsgewalt auch die Gewalt- 
anwendung aufzählen, wollen selbstverständlich damit nicht sagen, 
daß diese nun auch überall Platz greifen dürfe, wo es sich um 
den Gehorsam gegen einen Befehl handelt. Mangels einer be- 
sonderen Ermächtigung kann sie vielmehr nur soweit in Betracht 
kommen, als sie nach einmal ergangenem Befehl ein natürliches 
und selbstverständliches Zwangsmittel für ihn vor- 
stellt, wie wir das für die Erfolgvornahme anerkennen mußten 
(oben II n. 1). 
Das ist sie aber offenbar nur da, wo sie den dem Befehle ent- 
sprechenden Zustand geradewegs durch sich selber herzustellen 
vermag. Sie könnte dieses Ziel ja auch so erreichen, daß sie zu- 
nächst nur bestimmend wirkt auf den Willen des Gezwungenen 
durch Übel, welche sie ihm zufügt oder mit welchen sie ihn be- 
droht. Allein das wäre doch ein Mehr von Nachteilen, das sie 
dem Gehorsamspflichtigen bringt über das hinaus, was im Befehl 
schon enthalten ist, und durch diesen nicht gedeckt. Das Gesetz 
kann diese Art von Zwang besonders gestatten, wie es bei der 
Zwangsstrafe tut. Es könnte auch die Folter gestatten. Nur 
von selbst versteht sich ein solcher Zwang durch Brechung des 
Willens nicht ?°, 
Also läuft die Frage der Zulässigkeit der Gewaltanwendung 
zur Erzwingung des Befehls darauf hinaus, wie weit dieses Mittel 
imstande ist, den gewollten Zustand unmittelbar zu verwirk- 
lichen. Das wird verschieden sein, je nachdem es dabei auf ein 
Dulden, Unterlassen oder Handeln des Gezwungenen an- 
kommt. 
Für das letztere, das Handeln, ist die Gewaltanwendung nie- 
mals ein selbstverständliches Zwangsmittel, weil sie eben hier bloß 
durch Brechung des Willens zu wirken vermag, und dazu müßte 
sie schon die Natur der Folter annehmen. Wenn das Gesetz aus- 
Stf.Pr.O. $ 50, $ 133), finden sich vor allem noch in den vorsintflutlichen Ge- 
sindeordnungen: Pr. Gesind.Ordn. v. 8. Nov. 1810, $ 167 (v. Brauchitsch, 
Verw.Ges. I, zu L.V.G $ 132 Note 263); Bayr. Pol.Stf.G.B. Note 106, Abs. 4 
(v. Sutner, Pol.stf.G.B. zu Art. 106 Note 12); Sächs. Gesinde-Ord. 14. Febr. 
1835 $ ı1l. 
% Seydel, Bayr. St.R. III, S. 6: „Dagegen darf ohne gesetzliche Er- 
mächtigung der körperliche Zwang als Mittel des Vollzuges niemals da an- 
gewendet werden, wo das Befohlene durch die körperliche Gewalt nicht un- 
mittelbar durchgesetzt werden kann, wo also die körperliche Gewalt nur durch 
ihre Einwirkung als zugefügtes Uebel mittelbar die Gehorsamsleistung ver- 
anlassen würde.“
	        
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