Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 25. Unmittelbarer Zwang. 309 
hier, ebenso wie bei der Notwehr, die berechtigte Gewaltanwendung 
auf, sobald die strafbare Handlung beendigt und zum Ziele ge- 
langt ist; der Beginn der Strafverfolgung gehört der gerichtlichen 
Polizei, die Beseitigung störender Zustände, die sich etwa aus dem 
Delikt ergeben haben, anderen Formen des Polizeizwangs. 
11I. Hinter all dem steht noch ein dritter Rechtfertigungs- 
grund für die unmittelbare Gewaltanwendung; das ist das polizei- 
liche Notstandsrecht. Das bürgerliche Recht kennt unter 
diesem Namen Fälle, wo die Einwirkung auf eine fremde Sache 
als erlaubt gilt mit Rücksicht auf das Mißverhältnis zwischen 
dem Schaden, der dem Eigentümer entsteht, und der Gefahr, 
welche für den Handelnden dadurch abgewendet wird!‘ In 
ähnlicher Weise wird nun auch für die Zulässigkeit polizeilicher 
Gewaltanwendung ein solches Mißverhältnis wirksam: der Nach- 
teil, der dem Betroffenen widerfährt, soll klein sein gegenüber 
dem Unglück, das dadurch verhütet werden wird; das ist die 
Voraussetzung '"?. 
Ist diese Voraussetzung gegeben, so wird nicht etwa, wie im 
bürgerlichen Notstandsrecht, der Eingriff überhaupt erst erlaubt. 
Es handelt sich um polizeiliches Notstandsrecht, also muß 
eine Polizeiwidrigkeit in Frage sein, und gegen eine solche vor- 
zugehen, ist von vornherein das Recht und der Beruf der Polizei- 
gewalt; dazu bedarf es nicht erst eines besonderen Notstandes. 
Was der Notstand hier bewirkt. ist immer nur eine Erleichte- 
rung des ohnehin zulässigen Vorgehens, die eben vor 
allem der Gewaltanwendung zugute kommt in ihrem Ob und Wie. 
1. Jenes Mißverhältnis, das den Notstand kennzeichnet, ergibt 
sich vor allem da, wo die Polizeiwidrigkeit keine ganz unbedeutende 
und die Gefahr, die sie mit sich bringt, dringender Art 
ist. Das genügt jedes Mal, um das zu bewirken, worauf es allein 
hier noch ankommt: die Ausschaltung des durch die grundsätz- 
liche Ordnung der Dinge gebotenen Umweges über das Verfahren 
mit Befehl und Zwangsvollstreckung und das Freiwerden des un- 
mittelbaren Zwangs (vgl. oben S. 300). Der tobsüchtige Mensch 
16 B.G.B. $ 228, $ 904. v. Tuhr, Notstand im Zivilrecht; Wessely, 
Befugnisse des Notstandes und der Notwehr; R. Merkel, Kollision recht- 
mäßiger Interessen. 
1 Schultzenstein, im Verw.Arch. XV], S. 121 ff,, bespricht unter der 
Überschrift „Nothandlungen im Verwaltungsrechte“ vor allem die Frage, in- 
wieweit solche hier zugunsten der Einzelnen anerkannt werden. Das ist etwas 
anderes als unser Gegenstand.
	        
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