Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

310 Die Polizeigewalt. 
wird unschädlich gemacht, das bösartige Tier getötet, das brennende 
Gebäude zusammengerissen, der Selbstmordversuch mit starker 
Hand vereitelt, der gefahrdrohende Wasserlauf in Ordnung ge- 
bracht '®. 
2. Unter Umständen erhält dieses polizeiliche Notstandsrecht 
noch eine besondere Verschärfung. Das sind vor allem die Fälle 
der öffentlichen Not, wo Naturgewalten mit großer Macht 
auftreten, um Lebensgefahr und Zerstörung wirtschaftlicher Werte 
ins Weite zu tragen, Feuersnot, Wassersnot. Alle Maßregeln, die 
da getroffen werden, auch die polizeilichen, nehmen von selbst 
einen größeren Zug an. Juristisch bedeutsam ist aber die eigen- 
tümliche Wendung, welche die letzteren dabei bekommen können: 
man zerstört nicht bloß die brennenden Häuser, sondern schießt 
wohl auch benachbarte Häuserreihen mit Kanonen zusammen; man 
durchsticht den Damm, mit welchem der Eigentümer sein Grund- 
stück schützt, um der gestauten Flut Abfluß zu verschaffen. Das 
ist noch Polizei, sofern das Zerstörte die Gefahr erhöht, als 
Polizeiwidrigkeit wirkt. Aber genauer besehen, ist es doch nur 
eine Nebenursache, an die man sich hält, weil die Menschenkraft 
sich ohnmächtig erweist gegenüber der eigentlichen Quelle des 
Übels. Daß die Polizeimaßregeln hier nicht die Form von Befehl 
und Zwangsvollstreckung zu befolgen brauchen, ist selbstverständlich 
wegen der Dringlichkeit der Gefahr. Die Ablenkung auf den minder 
schuldigen Gegenstand, welche die Unwiderstehlichkeit bewirkt, 
mit der sie auftritt, läßt die Frage einer billigen Entschädigung 
aufkommen zugunsten dessen, der mit seinem Eigentum der be- 
drohten Gesamtheit zum Opfer gebracht wird '?. 
18 0.V.G. 8. Nov. 1899 (Entsch. XXX VI, S. 302); 22. Dez.1905 (Reger XXVIJ, 
S. 334). Im letzteren Falle handelte es sich um einen wutverdächtigen Hund; 
die Behörde kann an den Besitzer „ein Gebot richten“, ihn unschädlich zu 
machen; das führt dann auf den korrekten Weg der polizeilichen Zwangsvoll- 
streckung; sie kann den Hund aber auch „mit Anwendung unmittelbaren 
Zwanges“ selbst töten lassen, sofern er, frei herumlaufend, eine dringliche 
Gefahr bedeutet. 
19 Nach preußischem Rechte wollte man früher dem ligentümer des zur 
Abwehr der Feuersbrunst niedergerissenen Hauses eine actio de in rem verso 
gegen die Feuersozietäten gewähren, weil sie den Vorteil haben. Auch die 
Grundsätze der Havariegemeinschaft sollten zwischen den beteiligten Haus- 
besitzern zur Anwendung gebracht werden: Foerstemann, Pol. R.S. 460 ff. 
Ebenso rufen die Franzosen in diesem Falle die lex Rhodia de jactu an: 
Theorie d. franz. V.R. S. 190. Die Möglichkeit einer Haftbarmachung der 
„Behörde“, worauf Foerstemann a. a. OÖ. S. 461 noch hinweist, bedeutet
	        
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