$ 26. Besonderheiten des Zwangs durch Gewaltanwendung. 327
Ebenso tritt auch bei dem militärischen Einschreiten zur
Unterdrückung innerer Unruhen außerhalb des Be-
lagerungszustandes wenigstens für diesen bestimmten Zweck und
bis daß er erreicht ist, die bürgerliche Verwaltung zurück und
unter den Befehl des Kommandanten der bewaffneten Macht ®®,
Diese Verschiebung der Zuständigkeiten bedeutet stets einen
örtlichen Zustand verminderter Freiheit. Die ordentlichen
Behörden sind von der Rechtsordnung gedacht und eingerichtet
vor allem auch als Garantieen für sie selbst. Was jetzt an ihre
Stelle tritt, hat alle anderen Rücksichten schweigen zu lassen vor
dem einzigen Zweck, die tatsächliche Macht der Staatsgewalt
wieder außer Zweifel zu setzen. Der Belagerungszustand kann
ausdrücklich die schützenden Verfassungsbestimmungen zeitweise
beseitigen; aber auch ohne das und darüber hinaus beachtet hier
die „militärische Aktion“ die Rechtsordnung nur so weit, als es
sich mit dem eigentlichen Zwecke leicht und glatt vereinbaren
läßt. Es wird nötigenfalls gehandelt mit der ganzen Härte des
Krieges. Verwaltung und Polizei ist das überhaupt nicht mehr
(vgl. oben S. 10).
Gerade deshalb ist es von der ersten Wichtigkeit, daß wenigstens
die rechtliche Zulässigkeit dieses Ausnahmezustandes genau um-
schrieben und die Erfüllung seiner Voraussetzungen förmlich fest-
gestellt werde. Dem entsprechen die Vorschriften über die Er-
klärung des Belagerungszustandes. Für das sonstige militärische
Einschreiten zur Unterdrückung innerer Unruhen hat die Gesetz-
gebung nach französischem Vorbilde das nötige vorgekehrt: die
bürgerliche Behörde als die ordentliche Hüterin von Recht und
Freiheit hat selbst darüber zu entscheiden, ob der Zeitpunkt ge-
kommen ist für die außerordentliche Maßregel — das Einschreiten
des Heeres darf nur erfolgen auf ihre Requisition. Dafür, daß
das nicht zu früh und nicht zu spät geschehe, trägt sie allein die
Verantwortung ®?.
82 Preuß. Ges. v. 20. März 1837 8 8; Instr. v. 4. Juli 1863, II n. 2 Abs. 2.
Bayr. Ges. 4. Mai 1851 Art. 4 Abs. 2.
83 Seydel, Bayr. St.R. III S. 40: „Ob die sachliche Voraussetzung des
Einschreitens gegeben ist, entscheiden die Polizeibehörden nach pflicht-
mäßigem Ermessen“. Anschütz, Preuß. Verf.Urk. I S. 563 ff.; Wilfling,
Adm. Waffengebr. S. 195 ff. („das Requisitionsprinzip“). Für die Ausbildung
dieser Grundsätze ist das französische Recht führend geworden: Hauriou,
droit adm. S. 507 ff.; G. Jeze, V.R.d. franz. Rep. S. 223f.; Bruck, Verf.
und Verw.R. v. Els.-Lothr. II S. 180 ff.
Die Preuß. Verf.Urk. Art. 36, indem sie das strenge Requisitionsprinzip