328 Die Polizeigewalt.
Wenn der Soldat in der einen oder anderen Weise polizeilich
tätig werden und insbesondere auch Waflengebrauch dabei üben soll,
so verbleibt er selbstverständlich auch hierin unter der Befehlsgewalt
aufstellt, behält dem Gesetze vor, Ausnahmen zu bestimmen. Für das hier in
Frage stehende kriegsmäßige Einschreiten zur Unterdrückung innerer Unruhen
ist ein solches Gesetz nicht ergangen. Die Preuß. Instr. v. 4. Juli 1863 II
n. 1, und ebenso die Vorschrift v. 23. März 1899, zählt vier Fälle,
lit. a—d, auf, in welchen eine Requisition der Zivilbehörde gleichwohl
nicht nötig ist. Davon gehört die Zulässigkeit des einfachen Weaffen-
gebrauchs, gegen den entspringenden Verhafteten z. B. (vgl. oben Note 3
u. 25), nicht hierher. Dagegen ist es richtig, daß auch ein kriegsmäßiges Ein-
schreiten zur Unterdrückung von Unruhen nach vernünftiger Auslegung der
Verfassungsbestimmung unter gewissen Umständen ohne Requisition muß ge-
schehen können: wenn die Zivilbehörde nicht imstande ist, sie ergehen zu
lassen, also im Notfalle; wenn das Militär von den Aufrührern selbst an-
gegriffen wird; und — selbstverständlich — nach erklärtem Belagerungs-
zustand. Diese Ausnahmen, die eigentlich keine sind, werden auch im fran-
zösischen Rechte anerkannt. Nicht so selbstverständlich ist der an die Spitze
(lit. a) gestellte Fall, der ermöglicht, daß der Zivilbehörde zum Trotz ein-
geschritten wird: „wenn der Militärbefehlshaber nach Pflicht und Gewissen
findet, daß die Zivilbehörde mit der Requisition um Militärbeistand zu lange
zögert, indem ihre Kräfte nicht mehr ausreichen, die Ruhe herzustellen.“
Dieser Wortlaut ist entnommen der den Zaberner Vorgängen jüngst zugrunde
gelegten Kab.Ord. v. 17. Okt. 1820 — noch aus der Zeit des „soldatischen
Mitregiments in allen Polizeisachen“ stammend, — die aber ihrerseits auch
nichts anderes ist als eine niemals publizierte Instruktion, folglich nicht als
Gesetz gelten kann (vgl. oben $ 8 n. 1), Wilfling, Adm. Waffengebr. S. 198,
und Jellinek, Zabern S. 17, möchten sie gleichwohl dafür ansehen, der
erstere ohne ersichtlichen Grund, der letztere, weil eine Verordnung von 1798,
die nachträglich auszugsweise publiziert wurde, auf eine Vorgängerin der In-
struktion von 1820 verwiesen hat; es ist aber nicht einzusehen, weshalb in
Folge einer noch so umständlichen Verweisung eine nicht publizierte In-
struktion etwas anderes sein soll als eine nicht publizierte Instruktion. Wäre
sie ein preußisches Gesetz geworden, so hätte man gie gemäß R.Verf. Art. 61
auch in Elsaß-Lothringen veröffentlicht. Als bloße Instruktion gedacht be-
durfte sie dessen nicht; da folgt sie den preußischen Truppenteilen, wie
Laband, D.J.Z. 1914 S. 197, mit Recht hervorhebt, überall hin. Als solche
steht sie aber auch, was die entsprechende Wirksamkeit nach außen anlangt
und das erforderliche Recht des obrigkeitlichen Eingriffes in die Freiheit der
Untertanen, in Abhängigkeit von dem in jedem Gebiete geltenden Reichs- und
Landesrecht, und soweit sie in diesem keine Grundlage findet, kann sie zu
Rechtswidrigkeiten führen. Nur in Feindesland gälte sie schlechthin. Die
Sache ist nicht ganz so harmlos, wie Laband a. a. O. sie auffaßt.
— Während des Druckes sind neue Dienstvorschriften über diesen Gegen-
stand herausgekommen, gezeichnet den 19. März 1914; sie sollen eine „Zu-
sammenstellung der den gesetzlichen Anordnungen entsprechenden Rechte des
Militärs“ geben und enthalten die Bestimmungen der Kab.Ord. von 1820 nicht
mehr.