Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 27. Die Steuerauflage. 33 
Unter diesem weitgehenden Vorbehalt sprechen wir hier zu- 
nächst von den direkten Steuern. Der Veranlagungsakt, der sie 
kennzeichnet, bildet den Rechtstitel für die selbständige administra- 
tive Zwangsvollstreckung. Das ist nicht das Wesentliche an ihm; die 
indirekte Steuer wird ohne einen solchen Akt ebenso vollstreckt. 
Seine Hauptbedeutung liegt in der Fertigstellung der 
Steuerschuld. Er ist keine bloße Mahnung an die durch den 
Steuerrechtssatz schon entstandene; er ist aber auch nicht die 
schöpferisch freie Erzeugung der Schuld, wie die Polizeiverfügung 
die Gehorsamspflicht zu erzeugen vermag. Er verhält sich zum 
Steuergesetz wie das Strafurteil zum Strafgesetz: er macht es 
durchführbar. Wie das Strafgesetz bei Verwirklichung seines Tat- 
bestandes die Strafbarkeit erzeugt, so bei der direkten Steuer 
das Steuergesetz die Veranlagbarkeit zur Steuerzahlung. 
Niemand kann nach begangener Straftat bei der Gefängnis- 
verwaltung sich melden: ich habe so und so viel Tage verdient 
und wünsche sie abzubüßen. Ebenso wird man hier durch das 
Steuergesetz unmittelbar nicht steuerpflichtig: man kann noch 
nicht zur Zahlung gezwungen werden und kann auch nicht frei- 
willig bei der Kasse zahlen; man muß warten, bis man auf Grund 
der durch das Gesetz erzeugten bestimmten Besteuerbarkeit durch 
den Veraulagungsakt zum Steuerschuldner geworden ist. Ein 
Unterschied besteht nur insofern, als die Veranlagbarkeit mit 
anderen begründeten Vermögensrechtsverhältnissen auf die Erben 
übergeht, die Strafbarkeit nicht; das liegt an der besonderen Natur 
lichen Sinn und erklärt die Erbschaftssteuer für eine indirekte „nach der Auf- 
fassung des Gesetzes“, da sie „nicht von dem Vermögen als solchem 
erhoben wird, sondern von einem gewissen Rechtsvorgange, der sich in 
Ansehung der betrefienden Vermögensteile ereignet.“ — Gerade die Erbschafts- 
steuer, deren sich seitdem das Reich bemächtigt hat (R.Ges. v. 3. Juni 1906), 
gab bei dieser Gelegenheit Anlaß zu lebhaften Auseinandersetzungen über die 
Frage: ist sie nicht eine direkte Steuer, die als solche nach dem angenommenen 
Brauch den Bundesstaaten zu verbleiben hätte? Für uns ist sie zweifellos 
eine direkte Steuer, im Sinne einer Veranlagungssteuer. Der Erbschafts- 
steuerbescheid, den das Erbschaftssteueramt nach Prüfung der Sache er- 
laßt ($ 45 u. $ 46 des Ges.), ist ein richtiger Veranlagungsakt. Das Gesetz 
kann eine Erbschaftssteuer auch anders gestalten und sie etwa ohne weiteres 
auf Grund der abgegebenen Erklärungen einziehen lassen (mit Vorbehalt 
späterer Strafverfolgung und Nachzahlung); die französische Erbschaftssteuer 
verfährt so und wird unter diesem Gesichtspunkt den impöts indirects zuge- 
rechnet: J&ze, cours &l. de science de fin. S. 844. Auch unser Reichsgesetz 
hätte das leicht so einrichten können; aber für die politische Frage, die dabei 
in Betracht kam, hätte das, wie gesagt, nichts ausgemacht.
	        
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