$ 28. Rechte und Gegenrechte aus der Steuerauflage. 345
2. Die Anspruchsverjährung ist, wenigstens für Geld-
forderungen, auch im Öffentlichen Rechte eine durch die Zweck-
mäßigkeit gebotene Einrichtung. Die Regeln des Bürgerlichen
Rechtes sind darauf nicht von selbst anwendbar; aber im Anschluß
daran hat eine besondere Gesetzgebung für Steueransprüche Ver-
Jährungen geordnet, allgemein oder in den einzelnen Steuer-
gesetzen?®.
Wiederum aber macht sich hier der Gegensatz von direkten
und indirekten Steuern bemerklich.
Bei den direkten Steuern kommt eine doppelte Ver-
jährung in Betracht. Es ergeben sich dabei die Seitenstücke zu
den im Stf.G.B. $ 66 ff. unterschiedenen Verjährungen der Straf-
verfolgung und der Strafvollstreckung.
Durch Zeitablauf, d. h. durch Nichtgeltendmachung ihres
Rechtes während der bestimmten Dauer, verliert die Verwaltung
die Befugnis, den Pflichtigen durch Veranlagung zur Steuer heran-
zuziehen. Das pflegt dadurch zum Ausdruck gebracht zu werden,
daß die Nachholung der Steuer nur für einen beschränkten Zeit-
raum, rückwärts gerechnet, durchgeführt werden darf; was weiter
zurückliegt, gilt als erledigt, kann jedenfalls nicht mehr zur Grund-
lage eines Veranlagungsaktes dienen®. Da durch diesen die
Steuerzahlungspflicht erst entstünde, so sollte man hier eigentlich
nicht von einer Steuerverjährung sprechen; es ist eher eine Ver-
jährung des Veranlagungsrechts. Noch richtiger wird sie auf-
zufassen sein als eine Ausschlußfrist für die Vornahme der
Veranlagung; sie kann nur gewahrt werden durch diesen Akt
selbst. Sie kommt natürlich nur in Betracht, soweit eine Ver-
anlagung überhaupt noch zulässig und nicht durch die recht-
erschöpfende Kraft des bereits ergangenen Verwaltungsaktes (oben
n. 1) ausgeschlossen ist.
Die zulässigerweise vorgenommene Veranlagung erzeugt dann
die wirkliche Steuerzahlungspflicht, entsprechend der durch das
Strafurteil begründeten Strafduldungspflicht. Auch diese kann
5 Fleiner, Instit. S. 406, behauptet eine allgemeine dreißigjährige Ver-
Jährung für öffentlichrechtliche Ansprüche; seine Berufung auf Windscheid-
Kipp, Pand. I $ 110, und auf B.G.B. $ 195 scheint mir nicht zutreffend zu
sein. Inwiefern ältere Verjährungsgesetze aus der Zeit vor der Scheidung des
öffentlichen und des Privatrechts noch in Kraft stehen, bedürfte genauerer
Untersuchung.
6 Preuß. Eink.Steuer-Ges. v. 24. Juni 1891 8 80 („auf die drei Steuerjahre
zurück®); Sächs. Eink.Steuer-Ges, v. 24. Juli 1900 $ 77 („auf fünf Jahre zurück-
gerechnet).