Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

348 Die Finanzgewalt. 
sich gegen das Vorgehen der Erhebungsämter, welche Berechnungen 
aufstellen und mitteilen behufs Herbeiführung der entsprechenden 
Zahlung, die Zahlung erzwingen durch Zurückhaltung von Waren 
oder durch administrative Zwangsvollstreckung oder gleichwertige 
Vollzugshandlungen vornehmen. Die Beschwerde zur leitenden 
Behörde wäre das ordentliche Mittel. Auf diesem Wege würde 
auch eine etwa durchgesetzte Zahlung, soweit sie als nicht ge- 
schuldet sich ergibt, rückgängig zu machen sein, gerade wie das 
soeben für die direkte Steuer ausgeführt wurde. Der Rechts- 
sicherheit halber müßte die Beschwerde wie dort zu einer förm- 
jichen Beschwerde oder Verwaltungsklage ausgebildet sein; die 
dazu gehörige Ausschlußfrist setzte dann dem Rechte des Be- 
teiligten die erforderliche Grenze. 
Tatsächlich ist das nicht so vorgesehen worden, vielmehr hat 
in unserem geltenden Rechte die Sache ein ganz eigenartiges Ge- 
präge erhalten. Bei dem raschen und kräftigen Zwangsrechte, 
mit welchem die Verwaltung ausgestattet ist, spielt sich ordent- 
licherweise alles so ab, daß sie alsbald in den Besitz der Geld- 
beträge gelangt, auf welche ihre Aufstellungen lauten; der Be- 
troffene, der sich mit diesen nicht zufrieden geben will, wird 
das also dadurch zum Ausdruck bringen, daß er sein Geld 
zurückverlangt. So erhält der Jurist äußerlich das Bild 
einer condictio indebiti. In Wirklichkeit gehört dieses zivil- 
rechtliche Institut überhaupt nicht hierher; es hatte einmal seine 
Zeit, damals, als die polizeistaatliche Auffassung ihren Fiskus 
neben den steuererhebenden Staat stellte, damit er wie ein ge- 
wöhnlicher Privatmann für dessen Fehlgriffe aufkomme (vgl. 
oben $ 4, III). Das ist vorbei oder soll es wenigstens sein 2, 
In unserer Praxis aber und zum Teil auch in der Gesetzgebung 
wirkt der Gedanke einer Bereicherungsklage noch sehr bedeut- 
sam nach. 
Es gründet sich auf ihn die Inanspruchnahme einer selbst- 
18 Darüber die trefflichen Untersuchungen von Glässing, in Annalen 
1896, S. 46 ff. — Große Unklarheit in den Verhandlungen der Kommission f. 
ll. Lesung des Entw. d. B.G.B. zu Art. 65 (jetzt Art. 104) E.G.; man erklärte 
schließlich die Zurückforderung nicht geschuldeter Steuern für einen Fall, „in 
welchem die allerdings privatrechtliche Frage nach der Zulässigkeit der con- 
dictio indebiti von der nur nach öffentlichem Rechte zu entscheidenden Vor- 
frage abhänge, ob eine ungerechtfertigte Bereicherung vorliege“ (Prot. VI, 
5. 424). Uber diese unmögliche Zerreißung des Rechtsgrundes: Glässing 
a. a. 0, S. 63f.
	        
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