Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

354 Die Finanzgewalt. 
Solches Verfahren mit abgeschwächter Steuerpflicht hat seine 
ursprüngliche Ausbildung erhalten im Zollwesen; dort bietet 
es auch immer noch die größte Mannigfaltigkeit der verschiedenen 
Rechtsformen dar. Je nach der Art der Abschwächung unter- 
scheiden wir drei Gruppen. 
I. Das Verfahren mit gestundeter Steuer. Eine Stundung 
der Steuer setzt voraus, daß die Pflicht entstanden sei. Dann 
kann, wie Eingangs erwähnt, möglicherweise eine Stundung be- 
willigt werden für den einzelnen Schuldposten und durch Einzel- 
verfügung der Behörde. Es kann aber die Stundung auch gesetz- 
mäßig eintreten durch Benutzung der dafür vorgesehenen besonderen 
Einrichiungen und Verfahrensarten, an die sie in allgemeiner 
Weise geknüpft ist ®. 
In diesem Sinne wirkt nach unserer Zollgesetzgebung das 
Institut des Begleitschein Il. Der Warenführer kann bei 
dem Grenzzollbeamten beantragen, daß die Erhebung des Zolles 
bei einem anderen Amte, also bei einem weiter binnen gelegenen, 
erfolgen soll. Der Zollbetrag wird alsdann sofort festgestellt, und 
die Zollpflicht entsteht sofort zu Lasten des Antragstellers. Es 
kann Sicherheitsleistung dafür verlangt werden. Die Ware reist 
unter amtlicher Überwachung an den Bestimmungsort. Diese 
Überwachung hat, zum Unterschied von dem, was bei Begleit- 
schein I gilt, lediglich den Zweck, dafür zu sorgen, daß dem 
erwähnten Erleichterungen und Befreiungen eintreten, werden vom Bundesrate 
vorgeschrieben werden“ (Ver.Zollges. $ 118), so lauten die gesetzlichen Ver- 
weisungen hier. Sie bedeuten keine Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen, 
und der Bundesrat erläßt hier keine „Spezialgesetze“, wie Laband, St.R. IV 
S. 422, es nennt. 
8 Die beiden Arten von Stundung („Geldkredit* und „Zollkredit“: Privat- 
lagerordnung v. 8. Juni 1888 $ 16 Abs. 3) sind bei der nämlichen Ware denk- 
bar. Gemäß Zolltarifges. v. 25. Dez. 1902 $ 12 Abs. 1 ist für Zölle allgemein 
eine Stundung bis zu drei Monaten zulässig nach näherer Anordnung (Ver- 
waltungsvorschrift) des Bundesrats. Weinlagerordnung v. 28. Juni 1%5 $ 11fl. 
regelt das Stundungsverfahren des „Eisernen Zollkredits“ (vgl. unten Note 8); 
nach Erlöschen des Kredits hat die Barzahlung zu erfolgen, aber nun kann 
gemäß $ 16 die Direktivbehörde Zahlungsaufschub gewähren im Sinne von Zoll- 
tarifges. $ 12 Abs. 1, als Geldkredit. — Von der Wohltat der Einzelstundung 
sollen nach Zolltarifges. v. 25. Dez. 1902 Abs. 2 gewisse Waren (Getreide, 
Hülsenfrüchte usw.) ausgeschlossen sein; diese sollen dann gleichwohl in 
Niederlagen aufgenommen werden können, mit welchen eine Zollstundung ver- 
fahrensmäßig sich verbindet. Um den Einklang mit der ersten Bestimmung 
herzustellen, sind die auf solche Waren entfallenden, durch die Aufnahme in 
das Lager gestundeten Zollbeträge mit 4°%0o zu verzinsen; Schmauser, in 
Arch. £. öfl. R. XVII S. 477 fi.
	        
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