Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

368 Die Finanzgewalt. 
Auge, wenn dort bestimmt wird: „der Bundesrat beschließt über 
die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verwaltungs- 
vorschriften und Einrichtungen“. Und umgekehrt verweisen wieder 
die Zoll- und Steuergesetze des Reichs auf diese vom Bundesrat 
zu erlassenden Verwaltungsvorschriften, Regulative oder An- 
ordnungen. 
Damit sind keine Rechtssätze gemeint, die der Bundesrat 
aufstellen soll; die nach der Reichsverfassung hierzu erforderliche 
besondere Ermächtigung ist weder in Art. 7 noch in den einzelnen 
Gesetzen zu finden, welche auf derartige Vorschriften verweisen®. 
Der Bundesrat selbst hat auch nie die Absicht gehabt, „Rechts- 
verordnungen“ damit zu erlassen. Sonst hätte man sie in der 
dafür einzig zulässigen Form, nämlich durch Veröffentlichung im 
Reichsgesetzblatt verkündet. Statt dessen erscheinen sie von An- 
fang an lediglich im Amtsblatt des Bundesrats, in dem Zentral- 
blatt des Deutschen Reichs, und das hat stets genügt, sie in Wirk- 
samkeit zu setzen®. 
Wenn gleichwohl die rechtswissenschaftliche Lehre an Be- 
mühungen es nicht hat fehlen lassen, diesen Finanzordnungen auf 
irgendwelchem Wege Rechtssatznatur zu verschaffen, so lag das 
daran, daß man für ihre rechtlichen Wirkungen eine andere Er- 
8 Über Reichsverf. Art. 7 Ziff.2:Laband,St.R.II, S.91ff.; Haenel,St.R. 
S. 282 ff. — Laband möchte für die Verwaltungsvorschriften des Bundesrates, die 
nach Reichsverf. Art.7 Rechtsvorschriften nicht sein sollen, diese Eigenschaft doch 
nochin Anspruch nehmen, soweit sie aufZölle und Verbrauchssteuern sich beziehen. 
Und zwar gibt er dafür zwei Gründe. Erstens: Ver.Zollges. $ 152 bedroht die 
Übertretung dieser Verwaltungsvorschriften mit Strafe, und diesem Blankett- 
strafgesetz „verdanken sie die Kraft der Rechtsvorschrift“ (a. a. O. S. 93) 
Der Schluß ist nicht richtig: auch die Nichtbefolgung von Dienstbefehlen kann 
so mit Strafe bedroht sein, ohne daß diese dadurch zu Rechtssätzen würden. 
Zweitens enthalten sämtliche Zoll- und Steuergesetze des Reichs „umfassende 
Delegationen für den Bundesrat“, auf Grund deren er „eine große Masse von 
Regulativen beschlossen hat, welche ihrem Inhalte nach wahre Spezialgesetze 
sind“ (a. a. O. 4. Aufl. IV, S. 422). Allein, wenn Reichs-Verf. Art. 7 mit dem 
Ausdruck „Verwaltungsvorschriften“ keine Rechtssätze meint, dann ist nicht 
einzusehen, weshalb eine besondere Ermächtigung zu Rechtssätzen darin ge- 
funden werden soll, daß die einzelnen Gesetze auf die Verwaltungsvorschriften, 
Regulative u. s. w. des Bundesrates verweisen. Bedeutungslos ist diese Ver- 
weisung gleichwohl nicht; vgl. unten n. 4. 
® Laband, St.R. II, S. 110, Note 2, beklagt sich von dem Standpunkt 
aus, daß es sich um Rechtsverordnungen handele, mit gutem Grunde über die 
„im Deutschen Reiche herrschende Verkündigungsunordnung“. Für unsere 
Zoll- und Steuerregulative löst sich aber alles in Wohlgefallen auf, wenn sie 
in Wirklichkeit Rechtssätze gar nicht sein wollen.
	        
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