Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 31. Die Finanzstrafe. 383 
Daneben gibt es auch Rechtsvermutungen für die Schuld- 
frage. Für gewöhnlich sind sie der Finanzgewalt entbehrlich; 
die außerordentliche Strenge des Maßstabes, nach welchem das 
Verschulden hier berechnet wird (vgl. oben n. 1), setzt sie ohne- 
dies auch für den Beweis in die allergünstigste Lage. Ihren 
Boden finden sie erst in den Fällen, wo der mit der Finanzstrafe 
in Anspruch Genommene an der Tat selbst nicht unmittelbar be- 
teiligt ist. Es gehört vor allem zu den Eigentümlichkeiten dieses 
Strafrechts, daß hier auch Haftungen für die Straftat anderer 
geordnet sind (vgl. unten IV). Wenn dabei immerhin wieder ein 
gewisses Verschulden des Haftenden selbst vorausgesetzt wird, hat 
das Gesetz es um der entfernteren Zusammenhänge willen not- 
wendig gefunden, mit besonderen Vermutungen nachzuhelfen. Dies 
geschieht dann dadurch, daß der gewerbliche Unternehmer, und 
wer ihm gleichsteht, für das Finanzdelikt seiner Leute schlechthin 
haftbar gemacht wird, wenn er nicht beweist, daß es ohne sein 
Wissen verübt worden ist !”. 
Das Finanzstrafrecht setzt aber unter Umständen auch eine 
selbständige Strafe auf das Nichtverhindern der Tat eines 
anderen. So vor allem zu Lasten des Unternehmers, in dessen 
Räumen die strafbare Finanzwidrigkeit vorgekommen ist. Da wird 
dann, damit die nötige Verschuldungsgrundlage gegeben sei, zum 
Mindesten seine Kenntnis von dem Tatbestande und seine Un- 
tätigkeit demgegenüber vorausgesetzt werden müssen. Das Gesetz 
kann aber auch eine Vermutung für diese Kenntnis aufstellen und 
einen Entlastungsbeweis verlangen '®. 
IV. Die Finanzstrafe zeigt auch noch Eigentümlichkeiten in 
der rechtlichen Natur ihrer Strafmittel. 
Als solche erscheinen bei der Ordnungswidrigkeit Geldstrafen 
daß eine solche beabsichtigt gewesen sei”. Ebenso dann auch Zuckerst.Ges. 
v. 9. Juli 1887 8 43. Das bedeutete statt einer gesetzlichen Vermutung der 
Hinterziehung zugunsten der Branntwein- und Zuckerleute das gerade Gegen- 
teil. Zuckerst.Ges. v. 27 Mai 1896 $ 46 und Branntweinst.Ges. v. 15. Juli 1909 
$ 114 kehrten dann ohne besondere Schwierigkeiten wieder zu der Formel des 
Ver.Zollges. zurück. 
IT Ver.Zollges. $ 153. Braust.Ges. v. 3. Juni 1906 $ 50: Der Brauerei- 
besitzer haftet für seine Verwalter, Gehilfeır u. s. w., wenn er fahrlässig war 
bei Anstellung und Beaufsichtigung; ist er selbst schon einmal wegen ab- 
sichtlicher Braust.Defr. bestraft worden, so wird jene Fahrlässigkeit bei ihm 
vermutet. So auch Branntweinst.Ges. v. 8. Juli 1868 $ 66; das Branntweinst. 
Ges. v. 15. Juli 1909 $ 134 enthält diese eigentümliche Vermutung nicht mehr. 
18 Spielkartenst.Ges. v. 3. Juli 1878 $ 10 Abs. 8,
	        
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