Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

‘ $ 31. Die Finanzstrafe. 380 
Vermögensanspruch des Staates, bestimmt, diesem einen 
Vorteil zu gewähren. Indem sich dieser Anspruch an eine 
rechtswidrige Handlung des Schuldners knüpft, wird eine innere 
Verwandtschaft mit zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen 
nahe gelegt. Der leitende Gedanke ist in der Tat, daß hier dem 
Staat eine Art Schadensersatz zuteil werden soll für die Mehr- 
kosten der Überwachung, welche durch derartige Untaten ver- 
anlaßt werden, und für die Verluste, welche er tatsächlich bei 
den dazwischen doch immer wieder gelingenden Hinterziehungen 
durch solche Leute erleidet; wer einmal ertappt wird, muß für 
die anderen mitbüßen ?!., 
Aus diesem Gesichtspunkte ergab sich schon die Zulässigkeit 
einer Art Vertragsstrafe (vgl. oben I), die sich keineswegs so von 
selbst verstünde. Er ist aber auch sonst noch wirksam geworden 
in einer Anzahl auffallender Besonderheiten der Finanzstrafe. 
1. Zur besseren Sicherung des Anspruchs des Fiskus, den die 
Finanzstrafe bedeutet, werden hier noch andere als die Täter 
diesem gegenüber dafür haftbar gemacht und zwar offenbar 
nach Grundsätzen, die mehr dem bürgerlichen Rechte entlehnt 
sind als dem gemeinen Strafrecht. 
Die Haftung kann sich knüpfen an ein persönliches Ver- 
hältnis, in welchem der Haftende zu dem Täter steht nach Vorbild 
der zivilrechtliehen Bestimmungen über die Verantwortlichkeit des 
Geschäftsherrn, des Aufsichtsführers. Sofern dabei ein Verschulden 
des Haftenden vorausgesetzt ist, treten hier die vorhin (III n. 2) 
erwähnten Rechtsvermutungen ein. Es kann aber die Haftung 
auch verordnet sein unabhängig von solehem Verschulden ®, 
Eine Art der Haftung ist es auch, wenn das Gesetz den ge- 
2! Der Gedanke eines Schadensersatzes schimmert schon bei H. Meyer, 
Stf.R. $ 123, durch, wenn dort als Eigentümlichkeit der Hinterziehungsstrafe 
hervorgehoben wird, daß „das Gesetz bei bloßen Geldstrafen stehen bleibt 
und die zu entrichtende Strafe nur als eine Art gesteigerter Zivilschuld be- 
handelt“. Seither hat Kaulla, Rechtl. Natur d. Defr. S. 12, S. 26, die „Er- 
satzfunktion in der Defraudationsstrafe“ selbständig noch einmal entdeckt und, 
wie ich, benützt, um die Besonderheiten dieser Strafe zu erklären. Auch er 
nennt das freilich einen „zivilrechtlichen Gedanken“; von Zivilrecht ist aber 
hier keine Rede; Ersatzansprüche gibt es auch im öffentlichen Recht. 
22 Die „subsidiarischen Vertretungsverbindlichkeiten“ nach Ver.Zollges. 
$ 153 knüpfen an persönliche Verhältnisse zwischen dem Täter und dem Haf- 
tenden an, die denen in B.G.B. 88 831, 832 entsprechen. Dabei wird für Ziff. 1 
und Ziff. 2 ein Verschulden des Haftenden vorausgesetzt, für Ziff. 2 (Eisen- 
bahn- und Dampfschiffunternehmungen) nicht. 
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. ?. Aufl. 25
	        
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