26 Geschichtliche Entwicklungsstufen.
Die Übergänge vollziehen sich nicht allerorten in Deutschland
gleichmäßig und in einem Zuge; bald schreitet die eine, bald die
andere Staatengruppe voran, und die übrigen bleiben daneben eine
Zeit lang noch auf der vorausgehenden Entwicklungsstufe stehen.
Im ganzen hat sich aber die ganze Entwicklung so rasch ab-
gespielt, daß wir allgemeine Rechtszustände, die ganz auf den
Grundlagen der ersten Stufe stehen, noch fast mit der Hand er-
reichen können. Langsam hatten sich die landesherrlichen Hoheits-
rechte ausgebildet; einzelne deutsche Staatswesen beharrten in
dieser Grundform bis zur Auflösung des alten Reichs. Rasch und
mit gewaltiger Spannkraft war daneben der absolutistische Polizei-
staat emporgestiegen, um die alte Ordnung zu zerstören; im vor-
letzten Jahrhundert hat er seinen Höhepunkt erreicht. Im Zy-
sammenhang mit der Ausbildung des neuen Verfassungsrechts hat
ihn erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts die Idee des Rechts-
staates überwunden.
Diesem raschen Gange entspricht der Zustand, der uns vor
Augen liegt.
Das wirkliche Recht ist noch erfüllt mit Trümmern voraus-
gehender Entwicklungsstufen, die als Widerspruch mit den Grund-
gedanken des neuen Rechts dastehen und allmählich verschwinden
oder sich umbilden müssen.
Die Wissenschaft ihrerseits, von der Praxis zu schweigen, ist
noch vielfach gebunden in Älteren Anschauungen, die zum neuen
Rechte nicht mehr passen, und hängt an Ausdrucksweisen, welche
heute nur in gänzlich verändertem Sinne zu gebrauchen sind.
Wer sich hier zurechtfinden soll, für den ist die erste Be-
dingung, daß er der geschichtlichen Gegensätze sich immer klar
bewußt bleibt.
I. Was wir jetzt Verwaltung nennen, hat seinen Ausgang ge-
nommen nicht vom deutschen Reich, sondern von den Territorien.
Für die Ordnung des Verhältnisses zwischen den Einzelnen unter-
einander war das römische Recht rezipiert; für die Ordnung
des Verhältnisses zwischen dem Staat und den Untertanen nicht also.
Die ihm eigentümliche Idee des allgewaltigen Staates ist verloren
gegangen. Die majestas populi Romani, in deren Namen Jer Wille
der römischen Magistrate dem Einzelnen stets als der höhere,
rechtlich bindende gegenübertrat, war in den Einrichtungen der
römischen Kaiserzeit lebendig geblieben. Die germanischen Völker
vermochten dieses Erbstück der alten Kultur nicht zu bewahren.
Das fränkische Königtum hatte noch im Zusammenhbange damit