$ 32. Der Finanzzwang. 30
Das neuere Recht bringt die Zwangsmittel in die Rechtsformen
des Zivilprozesses. Die Pfändung beweglicher Sachen bleibt
noch immer an der Spitze. Aber das Gesetz stattet sie jetzt aus
mit den Wirkungen, die an die zivilprozeßrechtliche Pfändung sich
knüpfen, und fügt hinzu die feiner durchgebildeten Formen, die
sich dort noch entwickelt haben: Forderungspfändung, Früchte-
pfändung, Zwangsvollstreckung in Grundeigentum. Soweit dabei
Rechtswirkungen hervorzubringen sind ohne Vermittlung des tat-
sächlichen Zugriffes, sind es die Vollstreckungsbehörden selbst und
unmittelbar, an deren Mitteilungen diese Folgen geknüpft werden !®,
Wenn sie insofern das Vollstreckungsgericht des Zivilprozesses
vorzustellen scheinen, so ist doch nie dabei zu übersehen, daß sie
in Wahrheit immer die Vertreter des Gläubigers Staat sind, der
selbst durch sie vollstreckt "®,
3. Dem entspricht der andere Grundton, den hier alle Einzel-
stücke des Verfahrens gegenüber dem zivilprozeßrechtlichen Ur-
bilde erhalten.
Den Übergang aus dem Erkenntnisverfahren in das Zwangs-
vollstreckungsverfahren bildet dort der vollstreckbare Titel.
Er bedeutet nichts anderes als die dem Gläubiger zur Verfügung
gestellte öffentliche Gewalt behufs Erzwingung seines Geld-
anspruchs. Eben deshalb ist er hier nicht notwendig: der Gläubiger
hat diese Gewalt von vornherein ganz zu seiner Verfügung. Nur,
selbstverständlich, wenn er sich nun erhebt, um von ihr Gebrauch
zu machen, so soll das in einer gewissen Form und Ordnung ge-
schehen, die er sich selber auferlegt.
Dazu gehört einmal, daß seine Vollstreckungsbehörde, wo sie
selbst vorgeht, sich tunlichst an die Regeln hält, die auch das
Vollstreekungsgericht des Zivilprozesses zu beobachten
12 Nach Pr. Verord. v. 15. Nov. 1899 & 36 erfolgt die Pfändung einer
Geldforderung durch schriftliche Verfügung der Vollstreckungsbehörde,
mit der dem Drittschuldner verboten wird, an den Schuldner zu zahlen; das
machen Gemeindeeinnehmer, Kreissteuereinnehmer, Forstkassenrendanten, In-
tendanturen u. s. w. (Kautz, Verw.Zwangsverfahren zu $ 4 Note 1). Sächs.
Ges. v. 18. Juli 1902 $ 47 Abs. 2: „Mit dieser Zustellung sind die Pfändung
und die Überweisung als bewirkt anzusehen“. Es sind auch hier wieder keine
Verwaltungsakte, die da erlassen werden (vgl. oben Note 10); daß hier gleich-
wohl auch nach außen, nicht bloß im Dienstverhältnisse, rechtlich gewirkt wird,
beruht unmittelbar auf dem Gesetz. Das ist etwas besonderes nicht bloß gegen-
über dem Zivilprozeß, sondern auch gegenüber dem gewöhnlichen Verwaltungs-
verfahren.
1? So auch Bühler, Zuständigkeit der Zivilgerichte, S. 228,