Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

400 Die Finanzgewalt. 
einem solchen gleich behandelt worden, um die Sache in einer 
Recht und Gerechtigkeit sichernden Form von überzeugender 
Zweckmäßigkeit zur Entscheidung zu bringen. 
Nun es ernsthaft an den Zwang geht, ergibt sich der Wider- 
sinn, daß der Hort des Rechtes und was zu ihm gehört, im Namen 
des Rechtes wit äußerem Zwang dazu gebracht werden soll, sein 
Recht zu achten und ihm genug zu tun. Hier muß die Gleich- 
stellung aufhören: gegen den Staat und die zu ihm gehörigen 
juristischen Personen des Öffentlichen Rechts greifen die gewöhn- 
lichen Zwangsmittel nicht Platz ?. 
32? Dafür hat E.G. z. Z.P.O. 8 15 Ziff. 3 (ursprünglich Ziff. 4) den bundes- 
staatlichen Ordnungen freies Spiel gelassen, und zwar ganz folgerichtiger 
Weise, da hier der Bereich des öffentlichen Rechtes beginnt, den das Reichs- 
recht nicht berühren wollte. Die ältere Auffassung, der alles Heil nur bei 
der Ziviljustiz lag (vgl. oben $ 4, III n. 2), fand etwas Erhebendes darin, daß 
die Gerichte die Verwaltung jederzeit auspfänden lassen könnten. Dieser 
Standpunkt kam noch bei den Reichstagsverhandlungen über die Bestimmung 
des E.G. zum Ausdruck (Hahn, Mat. z. Z.Pr.O. 11, 8. 10% fi. Die wach- 
sende Ausbildung des Rechtsstaates macht aber wegfallen, was zu seiner Recht- 
fertigung dienen konnte. Im größten Teil des Reichsgebietes ist die gericht- 
liche Zwangsvollstreckung für Geldforderungen gegen den Staat ausgeschlossen 
oder eingeschränkt. Preuß. A.G.O. I, Tit. 35 $ 33. (Reitzenstein, Preuß. 
Z.Pr.Normen 8. 155 fl); Bayr. A.G. z. Z.Pr.O. v. 23. Febr. 1879 Art. 9; 
(Schierlinger, Bayr. Z.Pr.Normen S. 43); Sächs. A.G. z. Z.P.O. v. 20. Juni 
1900 8 2-5 6 (Grengel, Sächs. Z.P.Normen S. 386 ff); Württ. R. z. Z.P.O. 
v. 31. Juli 1898 Art. 18 (Gaupp, Württ. Z.P.Normen S. 105; Bühler, Zu- 
ständigkeit der Zivilgerichte S. 231). Dazu Oppenhoff, Ressortverh. S. 12, 
F. Stein, Justiz und Verw. S. 69 ff.; Fleischmann, Zwangsvollstreckung 
gegen fremde Staaten S. 101 ff.; Fleiner, Inst. S. 207. — Die Gesetzgebung 
ist noch unfertig; es fehlt ein einheitlicher entschlossen durchgeführter Grund- 
gedanke. Am besten noch das Sächs. A.G. z. Z.Pr.O. v. 20. Juni 1900, wenn 
es über die Zwangsvollstreckung gegen den Fiskus gar nichts bestimmt und 
in der Begründung von ihr sagt: sie liege „so fern, daß darauf keine Rück- 
sicht genommen zu werden brauche“ (Landt.Akten 1899/1900 Dekret n. 22). 
Meist wird das Sonderrecht matt genug begründet durch den Zweck, Störungen 
der Kassen und Rechnungen zu vermeiden, oder damit, daß die Pfändung je 
nach den Verhältnissen „sich als unangemessen darstellen könnte“ (Hahn, 
Mat. z. Z.Pr.O. I, S. 424). In Wahrheit ist solches Vorgehen mit einem ge- 
sunden Staatsbewußtsein unvereinbar. Das hat gerade in neuerer Zeit eine 
scharfe Beleuchtung erfahren durch die Anerkennung des Grundsatzes, daß 
der fremde Fiskus auf unserem Gebiete nicht gepfändet werden kann. Vgl. 
Preuß. C.C.H. 25. Juni 1910 in S. Hellfeld c. Fiskus des Russischen Reichs 
(Fleischmann, Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten 8. 110 ff), Die 
dort beliebte Begründung mit der Exterritorialität des fremden Fiskus trifft 
wohl nicht zu; wenn dieser bei einem deutschen Bankhaus Gelder hinterlegt, 
so tritt er damit unter deutsches Recht. Aber richtig ist, daß seine Pfändung
	        
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