$ 3. Die landesherrlichen Hoheitsrechte. 33
Allein auf diese Fälle beschränkt sich unsere Erscheinung
nicht. Vielmehr bilden Schranken der Landeshoheit alle jura
quaesita schlechthin, die für die Untertanen gegenüber irgend
jemandem so erworbenen Rechte: Eigentum und Forderungs-
recht, wie sie nach dem Zivilgesetze begründet sein sollen, Gewerbe-
rechte gemäß bestehenden Handwerksordnungen erworben, Mitglied-
'schaftsrechte in allerlei Körperschaften binden auch den dabei nicht
beteiligten Landesherrn auf solche Art. Sie können durch seine
Gerichte beurteilt und abgesprochen werden als unbegründet oder
verwirkt, können Gegenstand einer Zwangsvollstreckung werden,
die er zur Deckung eigener oder fremder Forderungen vollziehen
laßt. Aber einfach zuzugreifen, um ein solches Recht zu ändern,
zu vernichten oder zu übertragen, dazu ist keines seiner Hoheits-
rechte stark genug, selbst nicht das allerumfassendste, das jus
politiae'®,
Diese Schwäche der Hoheitsrechte, zu deren Erklärung das
zivilrechtliche Vorbild nicht ausreicht, hängt zusammen mit denı
besonderen Berufe des Landesherrn, dem sie gehören. Sie sollen
ihm allesamt nur dienen für das gemeine Wohl; für das gemeine
Wohl ist aber der Landesherr in erster Linie der Hort des Rechtes
im Lande und hat als oberster Gerichtsherr die Aufgabe, die
Rechte der Untertanen zu schützen und zu handhaben, wo er sie
findet. Dieser richterliche Beruf wiegt dermaßen vor in seiner
öffentlichen Stellung, daß keines der anderen Rechte, welche diese
Stellung ihm gibt, dazu führen darf, den Gegenstand der Pflichten
jenes Berufes zu zerstören”.
S. 57 n. 149, S. 350 n. 68; Nippold, in Sächs. Arch. f. B. R. Bd. II Erg.
Heft S. 14 ff. Die ursprüngliche besondere Kraft des jus quaesitum klingt hier
aus in einer der neueren Theorie gar nicht mehr verständlichen Ausnahme-
zuständigkeit der bürgerlichen Gerichte für öffentlichrechtliche Fragen.
16 Struben, Rechtl. Bed. V (Just. S.) S. 272, scheint nur unmittelbar
gegen den Landesberrn selbst erworbene Rechte, insbesondere aus Verträgen
mit demselben, als Schranken der Hoheitsrechte anerkennen zu wollen. Daß
jedes gegen wen immer erworbene Recht genügt, ist jedoch zweifellos herr-
schende Ansicht: v. Berg, Polizei-R. I S. 166; Pütter, Beitr. I n. 20;
Häberlin, StR. II S. 489; Leist, St.R. 8$ 86; Kreittmayr, Allg. St.R.
8 32, $ 35 in f; Neurath, De cognitione et potestate judiciaria in causis,
quae politiae nomine veniunt, $ 4.
17? Gerade die Sätze, welche den jeweiligen Zustand des öffentlichen Rechts
am schärfsten kennzeichnen, pflegen als Axiome aufzutreten. So heißt es denn
auch hier einfach „fas est“ (Pütter, Inst. $ 119). In Beitr. I S. 362 gibt
Pütter die obige Begründung. Ähnlich auch noch Gerber, Grundzüge d.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 2. Aufl. 3