Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

6 Geschichtliche Entwicklungsstufen. 
muß, um erst in zweiter Instanz an die Reichsgerichte zu ge- 
langen ?®, 
Aber wiederum macht es keinen Unterschied, ob die Rechte, 
über die mit dem Landesherrn gestritten wird, seine Hoheitsrechte 
sind oder gewöhnliche Privatrechte. Es kommt bloß darauf an, 
daß er bei ihrer Geltendmachung nicht „tamquam judex“ auf- 
getreten ist, sonst wäre nach dem obigen die Appellation am 
Platze, sondern „tamquam privatus und nicht richterlicher Weis“, 
also mit einfacher Rechtsbehauptung und tatsächlicher Ausübung ®*®. 
Das Reichsgesetz forderte gewisse Rücksichtnahmen für den 
Herrn Beklagten. Die Reichsgerichte sollen auf Eröffnung des 
Prozeßverfahrens gegen die eigene Obrigkeit „nicht leicht er- 
kennen“, jedenfalls vorher Bericht von ihr einholen; Mandate, 
welche ohne Beobachtung dieser Form vom Gericht erlassen wären, 
sollen der Art unwirksam sein, daß die Stände „denen mandatis 
impune nicht parieren dürfen“. Das gilt wieder ohne Uhnter- 
schied, um welche Art von Rechten des Landesherrn es sich 
dabei handelt °*. 
Nur in einem Punkte nehmen die Hoheitsrechte hier eine 
Sonderstellung ein: in der Zulässigkeit der Selbsthilfe. 
Die Reichsgerichte sind ja in erster Linie bestellt worden zur 
Aufrechterhaltung des Landfriedens und zur Beseitigung der über- 
wuchernden Selbsthilfe. Sie haben davon den Zug einer über- 
mäßigen Strenge beibehalten gegen alles Vorgehen, was nach dieser 
aussieht. Via facti ist unbedingt verboten allen Untertanen, den 
Ständen untereinander, auch den Landesherren gegenüber ihren 
Untertanen dann, „wenn fiscus agiret“, d. h. wenn es sich um 
Privatsachen handelt. Erlaubt ist nur die „Selbsthandhabung bei der 
?2 Moser, Teutsch. Justiz. Verf. I Cap. 3 $ 78. 
38 Gerade wo es sich um Hoheitsrechte handelt, lag es nahe, die Sache 
so zu wenden, als sei hier der Landesherr immer tamquam judex anzusehen; 
dann konnte man gleich zur Appellation greifen und vermied die unbeliebten 
Austräge. Dem gegenüber schärfen die Reichsgesetze wiederholt ein, daß es 
für diese Unterscheidung lediglich auf die Form des Auftretens ankommt und 
dem gemäß die Austräge beachtet werden müssen: R.A. v. 1594 $ 94 u. 95; 
K.G.O. I Tit. 31 8 16 u. 17; R.H.R.O. v. 1654 Tit. 2 8 2. 
*+ R.A. v. 1594 $ 79; R.A. v. 1654 $ 105; Wahlkap. Jos. II. Art. 19 $ 6 
u. $?7. Vgl. Moser, Teutsch. Justiz.Verf. I S. 1090 ff.; daselbst wird eine 
Denkschrift erwähnt (von 1750), in welcher ein Stand auszuführen sucht, daß 
das Kammergericht überhaupt nicht befugt sei, über Regalien und deren recht- 
mäßigen Gebrauch zu sprechen; das ist nicht das geltende Recht, aber das 
kommende!
	        
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