48 Geschichtliche Entwicklungsstufen.
Das Wort öffentliches Recht aber hatte stets dazu dienen
müssen, die Rechtsordnung zu bezeichnen, die zwischen dem ver-
waltenden Staat und den Untertanen besteht, soweit nicht das
Zivilrecht aushilft und das es handhabende Gericht. Hier ist denn
für den Polizeistaat der Weisheit letzter Schluß die Erkenntnis,
daß es ein solches Recht nicht gibt. Das Öffentliche Recht
ist kein Recht ’®.
nicht vorhanden ist“ (S. 37), sie können daher „nicht als Rechtsgesetze
behandelt werden“ (S. 39).
Montesquieus Lehre von der heilbringenden Herrschaft des Gesetzes
hat auch auf die leitenden Männer Preußens ihren Eindruck nicht verfehlt.
Das A.L.R. bringt dem Gesetze mehrfach seine Huldigung dar (Einl. $ 7, $ 87;
I, 88 32 usw... Der Unterschied des Wertes dieser „Gesetze“, je nachdem es
sich um Justiz oder Verwaltung handelt, ist dadurch nicht beseitigt; der
Landesherr war dadurch seinem fügsamen Polizei- und Finanzbeamtentum gegen-
über an keine Zurückhaltung gebunden. Wenn man um des vielgebrauchten
Namens willen für die damalige Zeit schon von einer Herrschaft des Gesetzes
im heutigen Sinne, von gesetzmäßiger Verwaltung und Rechtsstaat spricht, so
ist das wieder Selbsttäuschung. Aber eine ziemlich verbreitete: Rosin,
Polizeiverordnung S. 21; Anschütz, Gesetzgebende Gew. S. 128; Hubrich
in Verw.Arch. XVII S. 546.
1% In offenem Gegensatze zu den späteren Verschönerungsversuchen der
Theorie hat bei Beratung der Preuß. Kreisordnung im Abg. Hause der Bericht-
erstatter Dr. Friedeuthal das ungeschmeichelte Bild des Polizeistaates ge-
zeichnet: „Das Privatrecht bleibt geheiligt, es werden für das Privatrecht
Garantien geschaffen. Die Justiz soll unabhängig sein. Die Justiz geht ihren
eigenen Weg, die Verwaltung ebenfalls. Das öffentliche Recht erkennt
man in dieser Phase gar nicht als Recht an, sondern es gilt nur
als precarium, der Staat ist der absolute Herr aller öffentlichen Angelegen-
heiten“ (v. Brauchitsch, Mat. z. Kr. Ord. 11, S. 650). In gleichem Sinne schon
Oppenhoff, Ressortrerh. (1868), S. 16 Note 32: Der Unterschied zwischen
„Justiz- resp. Rechts- und Verwaltungssachen“ läßt sich charak-
terisieren „nach der Verschiedenheit der Normen, nach denen die eine und
die andere Behörde sich zu richten hat.“ Danach sind Justizsacheu die-
jenigen Angelegenheiten, „die nach den geltenden rechtlichen Grund-
sätzen behandelt werden müssen“, Administrativsachen dagegen solche, „die
nach den Grundsätzen des Nutzens, derZweckmäßigkeit oderfaktischen
Notwendigkeit ihre Erledigung finden.“ Anders soll es nur sein bei der
„Administrativjustiz“, den Verwaltungsbehörden zugewiesene Parteistreitig-
keiten betreffend, die dann allerdings auch „nach rechtlichen Grundsätzen ent-
schieden werden müssen“. Die neue Auflage (1904), S. 22 Note 43, beschränkt
sich auf einen kleinen Zusatz, wonach diese Ausnahme durch die Einrichtung
einer umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit jetzt in erhöhtem Maße zutrifft,
behält aber im übrigen die Unterscheidungsformel bei, als ob das heute noch
geltendes Recht in Preußen wäre! Bei unserem höheren Verwaltungsbeamtentum
allerdings war sie bis vor noch nicht langer Zeit ein gern gebrauchtes ge-