Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

90 Geschichtliche Entwicklungsstufen. 
leitung des Verfahrens noch die förmliche Entbindung von der 
Pflicht, „unser Interesse zu wahren“, und eifrige Fürsten machen 
die schärfsten Gewissensvorhalte, wenn sie Verdacht haben, daß sie 
begünstigt würden®?®. Diese Rechtsprechung der Landesgerichte 
über den Landesherrn wird durch die allmähliche Einschränkung 
und den schließlichen Wegfall der Reichsgerichtsbarkeit nicht be- 
rührt; sie erhält mit der schärferen Ausprägung des Polizeistaates 
eine immer wachsende Bedeutung. 
2. Für die Frage, ob die Zivilgerichte zuständig sind, ist es 
also entscheidend, ob der Staat in einem bestimmten Verhältnisse 
dem Zivilrechte unterliegt; das bedeutet aber nichts 
anderes als die Frage, ob er überhaupt in den Schranken einer 
Rechtsordnung stehen soll; denn außerhalb des Zivilrechts gibt es 
kein Recht. Deshalb handelt es sich hier um mehr als bloß um 
eine wissenschaftliche Grenzziehung zwischen zwei verschieden ge- 
arteten Rechtsgebieten. Es ist der Widerstreit zweier mächtiger 
Ideen, der seinen Ausgleich finden soll: der Idee des allgewaltigen 
Staates, die sich eben erst durch Zerstörung der Grenzen der 
Hoheitsrechte bewährt hat, und der Idee des Rechts, welche darauf 
angewiesen ist, die einzige ihr zu Gebote stehende Form für Recht 
und Rechtsordnung möglichst weit vorwärts zu tragen in die 
Lebensbeziehungen zwischen Staat und Untertan hinein. 
Die Lösung hat der Polizeistaat gefunden in jener eigentüm- 
lichen Lehre vom Fiskus, welche in dieser Zeit zur Aus- 
bildung gelangt und heute noch bei ganz geänderten Voraus- 
setzungen, uneingestanden, ja meist ausdrücklich verleugnet, die 
Rechtsanwendung und die Rechtslehre unverkennbar beeinflußt. 
Für den Begriff des Fiskus hat das römische Recht die Grund- 
lagen geliefert. Der Fiskus erschien dort zuletzt als eine juristische 
Person neben dem Kaiser, als Träger der dem Staatszwecke 
dienenden Vermögensrechte, ausgestattet mit besonderen Ein- 
künften und mit Vorzügen in Zivilrecht und Prozeß®. Das 
deutsche Staatsrecht legt bei Übernahme dieses Begriffes zunächst 
den Schwerpunkt in die „utilitates“, die Vorteile, die damit ver- 
bunden sind: auf die jura fisci kommt es an, die Ansprüche auf 
*2 Struben, Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 41 ff., woselbst namentlich die 
kräftigen Äußerungen Friedrich Wilhelms I. gegen die Richter, die das in 
„gott-, pflicht-vergessener und gewissenloser Weise“ tun möchten. Pfeiffer, 
Prakt. Ausf. III S. 207. 
2° Savigny, Syst. II S. 272 f.; Weiske, Rechtslex. IV S. 297 £f.; 
Mommsen, Abriß des röm. St.R. S. 279; Mitteis, Rom. Priv.R. I S. 349 ff.
	        
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