$ 4. Der Polizeistaat. 53
legt ihm Lasten auf, zwingt ihn zur Zahlung gleich andern Unter-
tanen. Der Staat kann nicht unter seinen Gerichten stehen, und
das Zivilrecht gilt nicht für ihn. In diesem Staatsbegriff ist die
Idee ungebrochen verwirklicht, welche der Polizeistaat zum Siege
geführt hat; eine Halbheit, wie die, daß dieses nämliche Wesen
doch eine Seite aufweise, an welcher es wie ein gewöhnlicher
Privatmann erscheint, widerspräche der Unbedingtheit, mit welcher
derartige mächtige Ideen sich zunächst durchzusetzen pflegen.
Nur durch die Ablösung einer damit in Zusammenhang bleibenden,
aber minderwertigen juristischen Person Konnte Zivilrecht
und Zivilrechtspflege annehmbar gemacht werden.
Die Fiskuslehre in ihrem alten unverfälschten Sinne war allein
imstande, das sonst Unvereinbare zu vermitteln ?”.
Aber auch der Umfang der Anwendbarkeit von Zivilrecht
und Zivilrechtspflege ließ sich nur auf dieser Grundlage so be-
stimmen, wie man ihn bestimmen wollte und wirklich zur Durch-
führung gebracht hat. Es ist unverkennbar, daß das Zivilrecht
hier im Vergleiche mit heutigen Anschauungen um ein Beträcht-
liches tiefer in das ganze Gebiet der Staatstätigkeit hineinreicht.
Den Ausgangspunkt bildet der Grundsatz, daß Zivilrecht,
folglich auch Zivilrechtspflege überall zur Anwendung kommen,
wo es sich um „Mein und Dein“, um vermögensrechtliche
Angelegenheiten handelt. Ausgeschlossen ist hier das Zivilrecht nur,
27T Perrot, Verfassung, Zuständigkeit und Verfahren der Gerichte der
Preuß. Rheinprovinzen (1842), 1S. 174: Da der souveränen Staatsgewalt gegen-
über die Staatsglieder schutzlos sind, so „hat man zu einer glücklichen Fiktion
seine Zuflucht genommen. Man hat den Begriff des Fiskus als einer moralischen
Person geschaffen, die den Beruf hat, die Mittel zu den Staatszwecken zu ver-
schaffen und zu verwalten. Diese moralische Person wird durch Behörden in
verschiedenen Abstufungen vertreten. Sie ist nicht selbst souverän,
sondern steht unter den Gesetzen des Staates, wie jede andere
physische oder moralische Person, bat daher überall sich nach den bestehen-
den Gesetzen zu richten“. Die Fiskuslehre in ihrer ganzen Schroffheit er-
scheint hier mit dem Bewußtsein ihres praktischen Zieles. Diese Anschauungs-
weise klingt auch aus der neueren Rechtsprechung dazwischen noch heraus.
0.Tr. 27. Mai 1862 (Str. 46 S. 109): „nicht der Fiskus, sondern der Staat der
richtige Beklagte“; O.Tr. 14. Juli 1865 (Str. 60 S. 111): „Vorderrichter ver-
wechselt den Fiskus mit dem Gesetzgeber, wenn er sagt, Kläger (Fiskus) habe
später vermöge seines Hoheitsrechts die Zollfreiheit der Verklagten aufgehoben;
der Vertrag ist vom Fiskus abgeschlossen, das Zollgesetz ist aber nicht vom
Fiskus, sondern vom Gesetzgeber erlassen“. Ähnl. Bl. f. adm. Pr. 1880 S. 229.
Noch O.Tr. 5. Januar 1877 (Str. 99 S. 132) läßt es dahingestellt, ob es richtiger
ist, „im Staate eine zwiefache Persönlichkeit anzunehmen oder nur eine Per-
sönlichkeit in privatrechtlichen und staatshoheitsrechtlichen Beziehungen“.