68 Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
Es kommt gleichwohl vor, daß der Inhalt eines Gesetzes nicht
geeignet ist, einen Rechtssatz abzugeben. Es kann etwa bloß
eine wissenschaftliche Lehrmeinung bekennen oder auch seine
rechtlich wirksame Anordnung auf einen bestimmten Einzelfall
beschränken.
Auch wo das Gesetz seinem Gegenstand nach einen Rechtssatz
wohl enthalten könnte, mag sich aus dem weiteren Zusammenhang
ergeben, daß es keinen Rechtssatz damit aufstellen wollte,
sondern nur eine Dienstvorschrift oder gar nur einen Wunsch,
eine Anempfehlung’. —
Das Gesetz kann aber von der ihm ursprünglicherweise allein
zustehenden Fähigkeit auch in der Weise Gebrauch machen, daß
es andere Stellen für gewisse Zwecke damit ausrüstet, seine
rechtssatzschaffende Kraft insoweit auf sie überträgt® So ent-
hördenorganisationen nicht unter den Begriff der Gesetzgebung im materiellen
Sinn fällt. Zuzugeben ist, daß solche Ordnungen auch auf dem Wege der
Dienstgewalt geregelt werden können, welche nach außen nicht unmittelbar
wirkt. Von den meisten Bestimmungen wird sich aber im Voraus nicht sagen
lassen, sie könnten ihrem Inhalte nach niemals für die Untertanen rechtlich
bedeutsam werden. Sind sie in Form eines Gesetzes erlassen, so ist im Zweifel
auch gemeint, daß sie das werden sollen. Die zahlreichen Gesetze, von denen
Laband, St.R. II S. 73, spricht, die „nur die eigene Tätigkeit des Staates
regeln“, seine Verfassung, die Zusammensetzung, Geschäfte und Geschäfts-
formen der Behörden, — sie werden bei näherer Betrachtung allermeist den-
noch „auf den Untertanen und seine individuellen Rechtsbeziehungen anwend-
bar“ sein. — Richtig R.G. 26. März 1901 (Entsch. XLVIII S. 85): „Die Gesetzes-
vorschriften, welche z. B. die Bildung der Schwurgerichte regeln, die Auf-
stellung von Weahllisten etc. anordnen, sind nicht weniger Rechtsnormen, ob-
jektives Recht, als diejenigen, welche die Rechtsbeziehungen der einzelnen
Staatsbürger regeln“. Falsch ist nur, wenn dabei gesagt wird, daß bei solchen
Gesetzen „der Gesetzesinhalt sich in Anweisungen an die Behörden erschöpft“.
Wäre das der Fall, so wären das eben keine Rechtsnormen.
6 Man sagt hier wohl, die Gesetzesbestimmung habe bloß „instruktionelle“
Bedeutung. — Ein Beispiel klarer Scheidung nach diesem Gesichtspunkte gibt
die Sächs. Min. Verord. z. Ges. v. 22. Okt. 1840: „Die unter heutigem Dato
publizierte Armenordnung enthält teils gesetzliche (rechtssatzmäßige) Vor-
schriften, welche in jedem vorkommenden darunter gehörigen Falle Anwendung
leiden, teils administrative Anordnungen und Anweisungen für die Behörden
über zweckmäßige Verwaltung des Armenwesens, deren Anwendbarkeit im ein-
zelnen nach Maßgabe des damit beabsichtigten Zweckes durch die Bedürfnisse
und die Beschaffenheit der Umstände bedingt wird.“
6 Die Übertragung geschieht selbst rechtssatzmäßig: die Einzelnen müssen
erst zugänglich gemacht werden für die von der ermächtigten Stelle aus-
gehenden Rechtssätze. Tritt daher das ermächtigende Gesetz selbst erst mit
einem späteren Termin in Kraft, so können auch die ermächtigten Rechtssätze