Vorwort zur zweiten Auflage. IX
wissenschaft gegangen bin, und ich habe mich stets gern dazu be-
kannt. Allein es war vorauszusehen: jetzt glaubt jeder mit Leichtig-
keit Bahn frei zu machen für die eignen Theorien, wenn er mich
der Ausländerei verdächtig erklärt, für einen Sänger „wilder
fremder Märe“, wie das weiland meinem Landsmann Wolfram von
Eschenbach widerfuhr. Den Franzosen jedenfalls hat mein Buch
in der französischen Bearbeitung einen sehr deutschen Eindruck
gemacht, namentlich in der geschichtlichen Auffassung, die ja
doch das Ganze beherrscht und durchdringt. Sehr irrig wäre es
aber auch, zu glauben, ich hätte die Gedankenbilder der einzelnen
Rechtsinstitute so ganz einfach der französischen Rechtswissen-
schaft entnommen. Gerade was daran am meisten Widerspruch
erfahren hat, ist eignes Gewächs. Ich nenne nur die Lehre vom
öffentlichen Eigentum, die umgekehrt Gaston Jeze in seinem „Ver-
waltungsrecht der französischen Republik“ jetzt von mir über-
nimmt.
Man darf mir zutrauen, daß ich selber die Gefahren und
Schwierigkeiten der Aufgabe weiß, wie auch nicht minder die
unerläßliche Bedingung, damit etwas Brauchbares herauskommt.
Die wir daran arbeiten, unserem deutschen Verwaltungsrechte
seine rechtswissenschaftliche Gestalt zu geben, müssen ja ein ge-
wisses Maß von Freiheit beanspruchen: um auszuscheiden, was
innerlich abgestorben oder wertlose Besonderheit ist, und dem,
was lebendig und zukunftsreich, dann zum rechten Wort zu ver-
helfen. Aber das darf nicht als Gelegenheit behandelt werden,
eigene Liebhabereien an den Mann zu bringen, noch auch prunkende
Phantasiestücke und juristische Akrobatenkünste aufzuführen. Den
Boden in der Wirklichkeit unseres Rechtes dürfen wir nie ver-
lieren und nichts anderes sein wollen als Diener und Verkünder
seines Wesens — auf unsere Art.
Irren kann man dazwischen immer, auch mit den besten
Grundsätzen; aber in der Hauptsache hoffe ich den meinen treu
geblieben zu sein.
Leipzig, den 2. Mai 1914.
Otto Mayer.