Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

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$ 7. Die bindende Kratt des Verwaltunssrechtssatzes. 11 
der Richter soll nach diesen Regeln den einen zur Herausgabe 
zwingen, dem andern zum Empfang verhelfen. Es knüpfen sich 
also an das zivilrechtliche Verhältnis zwischen den Beiden zwei 
entsprechende öffentlichrechtliche Verhältnisse derselben zur richter- 
lichen Gewalt. Der Prozeß gibt die Form, in welcher die letzteren 
wirksam gemacht werden. Das Zivilrecht hat damit den Beteiligten 
zugleich eine öffentlichrechtliche Bestimmung gegeben, ein Sollen 
und Dürfen gegenüber der öffentlichen Gewalt, und eine Gebunden- 
heit des Gerichts begründet zur Verwirklichung dieses Sollens und 
Dürfens. Indem das Gericht danach tut, wird in Einem jene 
öffentlichrechtliche Bestimmtheit gehandhabt und das zivilrecht- 
liche Verhältnis, an welchem sie hängt ®. | 
Das Strafrecht verfährt anders. Es bestimmt: wer das 
und das tut, ist so und so zu bestrafen. Es beginnt also mit 
einer Gebundenheit der richterlichen Gewalt, wonach sie unter 
diesen Voraussetzungen diese Strafe, nicht mehr und nicht weniger, 
verhängen soll; der Strafprozeß gibt die Formen, in welchen diese 
Gebundenheit wirksam wird. Aber wiederum erschöpft sich der 
Strafrechtssatz nicht damit, die Tätigkeit der richterlichen Gewalt 
in Bewegung zu setzen und zu bestimmen. Er wirkt sofort schon 
mit dem Eintritt der Straftat auf den Täter und gibt diesem 
unmittelbar eine entsprechende rechtliche Bestimmung in der 
Strafbarkeit: er soll die vorgesehene Strafe leiden, nicht mehr 
und nicht weniger. Darum wird ihm im Strafausspruch sein Recht, 
und eine härtere Strafe ist Unrecht gegen ihn Hier ist nun 
alles öffentlichrechtlich, alles Verhältnis zwischen Untertan und 
öffentlicher Gewalt. 
Die rechtliche Bedeutung dieser letzteren Form ist aber im 
wesentlichen ganz die gleiche wie die des Zivilrechtssatzes, soweit 
er öffentlichrechtlich in Betracht kommt: der Rechtssatz wirkt in 
beiden Fällen zweiseitig; er gibt dem Untertanen die rechtliche 
Bestimmung eines Sollens oder Dürfens gegenüber der öffentlichen 
Gewalt und begründet zugleich eine rechtliche Gebundenheit der 
Behörde ihm gegenüber, daß sie danach verfährt. Wir nennen 
83 In diesem Sinne Thon, Rechtsnorm S. 8ff.: Auch der Privatrechts- 
anspruch besteht „vor allem in dem Erwachen neuer Imperative an die mit der 
Zivilrechtspflege betrauten staatlichen Organe“ (S. 10). Diese zweite Reihe von 
Imperativen bedeutet, wie Bülow, Prozeßeinreden S. 1—3, ausführt, „ein 
öffentlichrechtliches Verhältnis zwischen Gericht und Partei“. 
* Binding, Stf.R. I S. 191: „Das Strafgesetz ist ... Festsetzung eines 
Rechtsverhältnisses zwischen dem Strafberechtigten und dem Verbrecher“.
	        
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