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$ 7. Die bindende Kratt des Verwaltunssrechtssatzes. 11
der Richter soll nach diesen Regeln den einen zur Herausgabe
zwingen, dem andern zum Empfang verhelfen. Es knüpfen sich
also an das zivilrechtliche Verhältnis zwischen den Beiden zwei
entsprechende öffentlichrechtliche Verhältnisse derselben zur richter-
lichen Gewalt. Der Prozeß gibt die Form, in welcher die letzteren
wirksam gemacht werden. Das Zivilrecht hat damit den Beteiligten
zugleich eine öffentlichrechtliche Bestimmung gegeben, ein Sollen
und Dürfen gegenüber der öffentlichen Gewalt, und eine Gebunden-
heit des Gerichts begründet zur Verwirklichung dieses Sollens und
Dürfens. Indem das Gericht danach tut, wird in Einem jene
öffentlichrechtliche Bestimmtheit gehandhabt und das zivilrecht-
liche Verhältnis, an welchem sie hängt ®. |
Das Strafrecht verfährt anders. Es bestimmt: wer das
und das tut, ist so und so zu bestrafen. Es beginnt also mit
einer Gebundenheit der richterlichen Gewalt, wonach sie unter
diesen Voraussetzungen diese Strafe, nicht mehr und nicht weniger,
verhängen soll; der Strafprozeß gibt die Formen, in welchen diese
Gebundenheit wirksam wird. Aber wiederum erschöpft sich der
Strafrechtssatz nicht damit, die Tätigkeit der richterlichen Gewalt
in Bewegung zu setzen und zu bestimmen. Er wirkt sofort schon
mit dem Eintritt der Straftat auf den Täter und gibt diesem
unmittelbar eine entsprechende rechtliche Bestimmung in der
Strafbarkeit: er soll die vorgesehene Strafe leiden, nicht mehr
und nicht weniger. Darum wird ihm im Strafausspruch sein Recht,
und eine härtere Strafe ist Unrecht gegen ihn Hier ist nun
alles öffentlichrechtlich, alles Verhältnis zwischen Untertan und
öffentlicher Gewalt.
Die rechtliche Bedeutung dieser letzteren Form ist aber im
wesentlichen ganz die gleiche wie die des Zivilrechtssatzes, soweit
er öffentlichrechtlich in Betracht kommt: der Rechtssatz wirkt in
beiden Fällen zweiseitig; er gibt dem Untertanen die rechtliche
Bestimmung eines Sollens oder Dürfens gegenüber der öffentlichen
Gewalt und begründet zugleich eine rechtliche Gebundenheit der
Behörde ihm gegenüber, daß sie danach verfährt. Wir nennen
83 In diesem Sinne Thon, Rechtsnorm S. 8ff.: Auch der Privatrechts-
anspruch besteht „vor allem in dem Erwachen neuer Imperative an die mit der
Zivilrechtspflege betrauten staatlichen Organe“ (S. 10). Diese zweite Reihe von
Imperativen bedeutet, wie Bülow, Prozeßeinreden S. 1—3, ausführt, „ein
öffentlichrechtliches Verhältnis zwischen Gericht und Partei“.
* Binding, Stf.R. I S. 191: „Das Strafgesetz ist ... Festsetzung eines
Rechtsverhältnisses zwischen dem Strafberechtigten und dem Verbrecher“.