Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

80 Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. 
sich doch beim Verwaltungsrecht um das Verhältnis zwischen 
Staat und Untertan. Also müßte die uns hier beschäftigende innere 
Seite der Rechtssatzwirkung den Staat treffen, wie die äußere den 
Untertanen. 
Nun läßt sich freilich nicht verkennen, daß auch das Gesetz, 
das den Rechtssatz enthält, selbst wieder der Staat ist. Und so ist 
man denn dahin gelangt, die Wirkung des Gesetzes zu erklären als 
eine Selbstbindung des Staates. In Wirklichkeit ist das 
aber keine Erklärung, sondern nur wieder ein neuer Name für 
das zu lösende Rätsel ®, 
Dem gegenüber hat man etwas Greifbareres geben wollen, indem 
man als die durch das Gesetz Gebundenen bezeichnete die einzelnen 
Träger staatlicher Tätigkeit, die „Behörden und Beamten“. 
Allein, wenn das die Beamten persönlich bedeutet, so würde 
wieder nicht einleuchten, wie nun daraus das Verhältnis zwischen 
Staat und Untertan seine Ordnung erhalten soll. Die Behörde 
aber im Gegensatze zum Beamten ist entweder auch wieder der 
Staat selbst oder eine bloße Einrichtung des Staates, mit der hier 
nichts anzufangen ist”. 
Die Theorie findet das richtige Wort nicht, um auszudrücken, 
was sie meint, so lange ihr jedes Verhältnis zu der Lehre von 
der Trennung der Gewalten fehlt. Tatsächlich sind ja 
hier nicht bloß Behörden und Beamte gebunden, ist aber auch 
der Staat nicht schlechthin gebunden. Nicht gebunden ist er 
bekanntlich, wenn sein Wille in Form des verfassungsmäßigen 
Gesetzes auftritt; der durchbricht rechtlich alles, auch den älteren 
gesetzlichen Rechtssatz. Das ist aber nichts anderes als die 
Erscheinung der gesetzgebenden Gewalt. Diese also ist frei. 
Gebunden soll nur sein aller auf irgend welche andere Weise 
entstandene Staatswille.e Sagen wir einfach die vollziehende 
  
6 Der Führer ist hier Jellinek, Staatenverträge S. 9ff.; Staaten- 
verbindungen S. 30ff.; Ges. und Verord. S. 198ff.; R. des mod. St. S. 331 ff.; 
Subj. Rechte S. 195 ff. Eine Selbstbindung der „obersten Staatsorgane“ durch 
„sittliche“ Pflichten (Subj. Rechte S. 196, 197) wird man gern zugeben; wie 
aber daraus ohne weiteres rechtliche Gebundenheiten des Staates selbst 
werden, bleibt dunkel. 
? Laband, St.R. II S. 74: „Die Staatsgewalt in abstracto ist durch das 
Gesetz niemals gebunden .. . wohl aber jeder, der die Staatsgewalt nach dem 
Willen des Staates zu handhaben hat“. Die Verwaltungsgesetze sind vielmehr 
„Befehle der Staatsgewalt an die Behörden und Beamten und an die übrigen 
Körperschaften und Personen, welche staatliche Funktionen zu verrichten haben.“ 
So auch Seligmann, Begr. d. Ges. S. 98if.; Bierling, Krit. d. jur. Grund- 
begr. 1 S. 3%4; Fleiner, Instit. S. 127.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.