34 Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
Was damals als Gesetz auf die Untertanen wirken und von
den Gerichten angewendet werden sollte, mußte gehörig veröffent-
licht worden sein. Außerhalb des Bereiches der Justiz war die
Veröffentlichung Zweckmäßigkeitsfrage (vgl. oben $ 4, II). Als
nun die Verfassung kam und man überall die ihr entsprechenden
Gesetze brauchte, auch in der Verwaltung, schon wegen der jetzt
unentbehrlichen gesetzlichen Grundlage für Eingriffe in Freiheit
und Eigentum, da konnte man nicht daran denken, diese Gesetze
eiligst in der neuen Form fertig zu stellen. Man übernahm ein-
fach als solche alle vorhandenen landesherrlichen Anordnungen
allgemeinen Inhalts schlechthin nach dem äußerlichen Maßstab, daß
sie veröffentlicht waren®.
Das ist überall so geschehen, als selbstverständlich, ohne be-
sondere Übergangsbestimmung. Aber natürlich hat man auf diese
Weise für die Verwaltung eine Menge von Vorschriften zu Ge-
setzen im neuen Sinne gemacht, bei welchen nie beabsichtigt ge-
wesen war, den Fürsten selbst und die ganze vollziehende Gewalt
zu binden oder eine Grundlage für polizeiliche Eingriffe zu ge-
währen, die ja keiner bedurft hatten®. Der Rechtsstaat hatte manch-
mal an dieser Erbschaft nicht leicht zu tragen. Ihr Bestand wird
durch die neue Gesetzgebung allmählich verdrängt.
2. Die wichtigste ordentliche Verwaltungsrechtsquelle ab-
geleiteter Art finden wir in der Verordnung. Sie soll bedeuten
eine staatliche Willenserklärung mit Rechtssatz-
kraft, die nicht in Form des Gesetzes ergeht.
„Staatliche Willenserklärung“ — zum Unterschied vom Statut
(unten n. 3); „nicht in Form des Gesetzes“ — sie geht aus von
der Trägerschaft der vollziehenden Gewalt. Da in dieser Gewalt
die Fähigkeit, Rechtssätze zu schaffen, nicht enthalten ist, so bedarf
die Verordnung einer besonderen Übertragung dieser Fähigkeit
von der gesetzgebenden Gewalt her. Sie wird gewährt durch aus-
® Gneist, Rechtsstaat $. 218; Arndt, Verord.R. S. 30. — Thoma,
Polizeibefehl S. 111ff., legt mehr Gewicht auf „die Konstruktion eines Über-
gangsrechts“, wonach die Verwaltung einstweilen freie Hand haben sollte, die
unvermeidlichen Eingriffe „ohne formellgesetzliche Rechtsgrundsätze“ zumachen.
Tatsächlich wird es häufig so gegangen sein, wie Seydel, Bayr. St.R. Il S. 321,
mißbilligend von der Zeit nach der Verf.Urk. berichtet: wo die gesetzliche
Grundlage fehlte, „half die Verwaltung sich selbst“. Nur möchte ich das kein
„Recht“ nennen.
® Das berühmteste Beispiel gibt A.L.R. Il 17 $ 10, der ursprünglich nichts
anderes bedeutete als: über die Polizei wird im A.L.R. nichts besonderes be-
stirmmt.