Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

4 Das öffentliche Sachenrecht. 
ein Stück des jus politiae, womit das Ungewöhnliche des Eingrifis 
abgestreift ist®. 
Der Polizeistaat verwischt alle vorgefundenen Bedingt- 
heiten und Formen zugunsten eines schrankenlosen Beliebens der 
Obrigkeit. Indem er für die „zivilrechtlichen Wirkungen“, Eigen: 
tumserwerb und Entschädigungspflicht, den Fiskus als vom Staate 
unterschiedenes Rechtssubjekt eintreten läßt, entsteht hier das be- 
kannte polizeistautliche Mischgebilde *. 
Der Verfassungs- und Rechtsstaat der Neuzeit hat 
dann für diesen Rechtsvorgang die ihm eigentümlichen Formen s6 
reich und kräftig entwickelt, daß der einfache Grundgedanke 
geradezu in Gefahr gerät; verloren zu gehen. Wir werden ver- 
suchen, ihn festzuhalten. 
1. Die Enteignung, als der stärkste Eingriff in das Eigentum 
des Untertanen, gehört im Verfassungsstaate selbstverständlich zum 
Vorbehalte des Gesetzes. Nach dem Vorbild der declaration des 
droits de l’homme pflegen die Verfassungsurkunden bei Aufzählung 
® Ein Beispiel bietet der Bd. I $ 3 Note 9 und 19 besprochene Fall. Wenn 
Gierke, D.P.R. DI S. 469, den Staat bei der Enteignung vorgehen läßt „in Aus- 
übung des Staatshoheitsrechtes am Boden“, so kommt darin jenes alte längst über- 
wundene jus eminens noch einmal zu Ehren. 
* Vgl. Bd. IS. 54, S. 55 Note 29. Ein Beispiel für die Formlosigkeit des 
Vorgehens ebenda S. 40 Note 4. — Die Juristen sträuben sich gerade an diesem 
Punkte besonders lebhaft gegen die folgerichtige Entfaltung des Polizeistaates. 
So ist noch Moser, Landeshoheit in Ansehung der Untertanen Pers. u. Verm. 
cap. 20 $ 3, bemüht, die gemäß dem alten Hoheitsrechte allein zulässigen Ent- 
eignungsfälle aufzuzählen, kommt aber dabei auf zweifelhaftes Gebiet und schließt 
mit dem Satze: „Man wird in solcherlei Fällen schwerlich fragen, was Rechtens 
sei.“ Das ist eben der Polizeistaat. — Cod. Max. IV c.83$ 2 und A.L.R. I, 11 
$ 4 bedeuten demgegenüber noch keine Neugestaltung. 
6 Insofern diese Grundidee herausgehoben werden soll, mögen also auch 
gegenüber dem gesetzten Rechte Erörterungen noch ihren guten Zweck haben, 
wie sie z. B. G. Meyer, R. d. Expropr. S. 163 ff., unter der Überschrift „Das 
staatsrechtliche Prinzip der Expropriation“ anstellt. Ähnlich v.Rohland, Ent.R. 
S. 6, sowie Grünhut, Ent.R. S.4, beide unter der Überschrift „Begründung des 
Enteignungsrechtes“. Aber gegenüber der Allmacht des verfassungsmäßigen Ge- 
setzes ist es überflüssige Mühe, wenn man wie L. Stein, Verwaltungslehre VII 
S. 295, auf diese Weise erst nachweisen will, wie die von ihm gewollte Enteignung 
„ein Recht sein könne“. Und ebensowenig braucht man sich daneben noch auf 
einen besonderen „in die Rechte der modernen Staaten aufgenommenen Grund- 
satz“ zu berufen, wonach der Staat „berechtigt“ ist, für das öffentliche Wohl zu 
enteignen, wie Eger, Ent.Ges. S. 1 u. 2, ihn durch elf Schriftsteller bezeugen 
läßt. Das ist noch die altmodische Gelehrsamkeit des unfertigen Staates der 
landesherrlichen Hoheitsrechte.
	        
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