98 Das öffentliche Sachenrecht.
Privateigentums bestehe: hier trifft ja eine solche Belastung zu,
aber ein Fall des öffentlichen Eigentums ist das eben deshalb nicht;
die öffentliche Sache ist was sie ist auf andere Art.
— Endlich kann die Zugehörigkeit der öffentlichen Sache an
den Staat oder sonstigen Träger öffentlicher Verwaltung auch zum
Ausdruck kommen in dessen bloßem Besitz. Solcher Besitz ge-
hört immer zur Öffentlichen Sache; ihr Wesen besteht ja darin,
daß sie tatsächlich dem öffentlichen Zwecke dient und ihn erfüllt,
daß öffentliche Verwaltung durch sie geführt wird; und das be-
deutet eben den Besitz des Subjektes dieser Verwaltung. Als eine
Erscheinung öffentlicher Verwaltung schützt sich dieser Besitz
gegen Störung und stellt sich wieder her gegen Entziehung in den
Formen, in welchen eben die öffentliche Verwaltung sich verteidigt
(vgl. unten $ 86, II n. 3). Eigentum oder Dienstbarkeit sind Zu-
taten zu besserem Schutz und rechtlicher Gewähr der Dauer dieses
Zustandes. Zur Not steht aber der Besitz hier auch einstweilen
auf sich allein, um die öffentliche Sache wenigstens vorläufig zu
halten und sicherzustellen. In erster Linie also erspart er der
Verwaltung den Nachweis ihres Rechtstitels auf das tatsächlich.
als öffentliche Sache in Dienst gestellte Grundstück; so lange ein
anderer sein Eigentum nicht erwiesen hat, hat es dabei zu ver-
bleiben. Aber auch gegenüber dem erwiesenen Eigentum hält sich.
dieser Besitz durch eigne Kraft wenigstens vorläufig. Der Fall
sollte ja eigentlich vermieden werden. Allein die Verhältnisse
bringen derartiges oft genug mit sich: Hinfälligwerden des ursprüng-
lichen Rechtstitels, Ablauf der Zeit, für welche der Eigentümer
die Sache freiwillig eingeräumt hatte, vor allem auch irrtümliche
Besitzergreifungen durch übereifrige Techniker sind gar nicht so
selten. Hier gibt dann diese selbständige Kraft des Besitzes der
öffentlichen Sache der Verwaltung die Möglichkeit, den Rechts-
punkt in aller Ruhe und ohne Störung des Gemeinwohls auf irgend-
einem Wege in Ordnung zu bringen, durch Enteignung, freihändigen
Erwerb oder Änderung der Straße, des Festungswerkes, wobei das
fremde Stück frei wird. In Ordnung bringen soll sie das; aber sie
soll es vereinbaren mit der hier zu wahrenden Rücksicht auf das
öffentliche Wohl. Das ist ihr pflichtgemäßes Ermessen, und daß die
Festhaltung des Besitzes ganz davon abhängt, das gibt diesem eine
Bedeutung, die dem bürgerlichrechtlichen Besitzesrecht fremd ist®*.
* Unten $.130. Diese eigentümliche Kraft des Besitzes der öffentlichen Sache
wird ihr richtiges Verständnis gewinnen im Zusammenhang der Lehre von der
öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung (unten $ 41, IIn.4). Sie begegnet sich