$ 35. Das öffentliche Eigentum; Begriff und Umfang. 09
Hier mag man wieder davon sprechen, daß die Öffentliche Sache
eine Belastung des Eigentums aus Öffentlichrechtlichen Gründen
bedeute, mag auch darauf hinweisen, daß das Eigentum an dieser
öffentlichen Sache rechtsgeschäftlicher Verfügung zugänglich bleibt.
Aber daraus Schlüsse ziehen zu wollen gegen die Lehre vom
öffentlichen Eigentum, wäre wieder nur ein Beweis von Mangel
an Überblick.
V. Die Zugehörigkeit der Sache an einen Träger öffentlicher
Verwaltung genügt nicht. Sie muß auch von ihm vermöge dieser
Zugehörigkeit im Dienste eines bestimmten Öffentlichen
Zweckes gehalten werden, den sie unmittelbar zu er-
füllen geeignet ist.
Man hat die äußeren Güter des Staates einer Grundeinteilung
unterworfen: Wenn sie für ihn mit ihrem Vermögenswert und mit
ihrer Fähigkeit, Vermögenswerte privatwirtschaftlich zu erzeugen,
in Betracht kommen, dann zählen sie zu seinem Finanzvermögen.
Wenn sie dagegen mit ihrer Körperlichkeit in der öffentlichen
Verwaltung für deren Zwecke verwendet werden sollen, dann nennt
man sie Verwaltungsvermögen®®. Unsere Öffentlichen Sachen
bilden in diesem letzteren einen engeren Kreis. Um sie genauer
abzugrenzen, müßte man das Merkmal angeben können, an welchem
jene besondere Unmittelbarkeit der Erfüllung des öffentlichen
Zweckes erkennbar wird, die sie auszeichnen soll. Damit würden
wir aber nur auf das Gebiet der Tatfragen, der Meinungssachen
geraten, auf welchem ein allgemeingültiger sicherer Standpunkt
nicht leicht zu gewinnen ist, wenn wir nicht sofort die Frage-
stellung zuspitzten auf den rechtlichen Erfolg, der hier
dort mit einer großen Zahl verwandter Erscheinungen, welchen überall der gleiche
Grundgedanke gemeinsam ist: das Privateigentum ist in gewissem Maße seiner all-
gemeinen Natur nach widerstandslos und nachgiebig gegenüber den aus der Öffent-
lichen Verwaltung sich ergebenden Einwirkungen. Unser Besitzrecht der öffent-
lichen Sache erhält auch noch eine besondere Ergänzung durch das Rechtsinstitut
der Inanspruchnahme eines Weges für den öffentlichen Verkehr
(Pr. Zust.Ges. v. 1. Aug. 1833 $ 56 Ziff. 1), Darüber hier unten $ 36, II n. 3.
® Laband, StR. IV S.392 Note 5: „Die Richtigkeit und staatsrechtliche
Bedeutung dieser Unterscheidung ist allgemein anerkannt.“ Es ist leicht zu sehen,
daß sie von Haus aus den Staatswissenschaftlern angehört; das schließt nicht aus,
daß das Öffentliche Recht seine Bestimmungen daran hängt; für uns hier ist sie
wertlos. Regelsberger, Pand. I S. 416 ff., unterscheidet Finanzvermögen als
Gruppe A und Verwaltungsvermögen als Gruppe B, fügt aber mit Recht als
Gruppe C die öffentlichen Sachen hinzu. Daß diese Gruppe bei Laband fehlt,
entschuldigt er S.416 Note6 damit, daß Laband „keinen Anlaß hatte, diese Gruppe
in Betracht zu ziehen“.
7*