Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

100 Das öffentliche Sachenrecht. 
herauskommen soll: die Sache soll ja um jener Unmittelbarkeit 
willen mit einer besonderen Rechtsordnung umgeben werden, die 
im Gegensatz zu der Rücksichtslasigkeit des bürgerlichen Rechts 
überall darauf berechnet ist, ihr rechtliches Schicksal dem wohl- 
erwogenen Bedürfnis des bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung 
angepaßt zu halten‘. Rechtsansprüche und Rechts- 
beschränkungen, welche in Widerspruch damit nach den Regeln 
des gemeinen Zivilrechts sich begründen würden, könnte man ja 
im Wege des Vertrags oder nach den Grundsätzen der Enteignung 
wieder beseitigen. Es muß sich also um Sachen handeln, für die 
das nicht genügt, in denen der Zweck der öffentlichen Verwaltung 
so empfindlich ist, daß er auch die Hemmnisse, die das durch- 
zuführende Verfahren und vor allem die Rücksicht auf die zu 
zahlende Entschädigung bereitet, nicht verträgt. Diese besondere 
Empfindlichkeit allein also kann den Maßstab liefern, nach welchem 
der Kreis der öffentlichen Sachen sich abgrenzt. 
Betrachten wir im Lichte dieser praktischen Vernunft der 
öffentlichen Sache unser geltendes Recht, so soll es nicht schwer 
sein, die entsprechende Abgrenzung darin wiederzufinden. Nicht 
klar erfaßt und ausgesprochen — dafür ist die theoretische Bildung 
nicht genug entwickelt —, aber das Ergebnis stimmt. 
Unsere Gesetzgebung hat zu der Frage regelmäßig Stellung 
genommen bei Ordnung des bürgerlichen Rechts, wie das der 
älteren Auffassung von der Öffentlichen Sache entsprach. Die 
großen bürgerlichen Gesetzbücher der Neuzeit versuchen sich gern 
in einer den Lehrbüchern entnommenen Aufzählung der öffentlichen 
Sachen. Der Hauptzweck ist dabei, das Eigentum des Staates 
außer Zweifel zu stellen und dabei doch hervorzuheben, daß es 
kein gewöhnliches Eigentum sei. Die Aufzählung enthält stets die 
wichtigsten Sachen, die nach dem soeben betonten Merkmal hierher 
gehören®’. Dazwischen wohl auch anderes, und es ist bemerkens- 
wert, wie diese fremdartigen, d. h. unserem Merkmal nicht ent- 
sprechenden Zutaten im wirklichen Recht unbedenklich, auch dem 
»e Wegen dieses Zieles der besonderen Rechtsordnung des öffentlichen Eigen- 
tums vgl. oben S. 75. 
® A.L.R. II, 14 8 21: „Die Land. und Heerstraßen, die von Natur schiff- 
baren Ströme, die Ufer des Meeres und die Häfen sind gemeineg Eigentum des 
Staates.” Bayr. L.R. II, 1,5 und Gem. Ed. v. 1808 58 15—17; code civil art. 538. ; 
Osterr. B.G.B. $ 287.— Das deutsche B.G.B. handelt absichtlich nicht von öffent- 
lichen Sachen, da es sich von öffentlichrechtlichen Dingen überhaupt fern hält. 
So Mot. z. 1. Entw. II S. 27.
	        
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